Frankreich erwartet "extreme Welle": Kliniken schon überlastet

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Expertenberichte sprechen davon, dass im Elsass über 80-Jährige nicht länger beatmet werden können. Einige Kranke wurden bereits per Schnellzug in andere Landesteile verlegt.

Frankreich erwartet am Wochenende die bisher größte Welle von Corona-Kranken: Premierminister Edouard Philippe warnte am Freitag in Paris nach einem Krisentreffen der Regierung vor einer "extrem großen Welle, die "über Frankreich hinwegspült". Neben den überlasteten Krankenhäusern im Elsass riefen auch die Pariser Kliniken um Hilfe.

Philippe sagte weiter, in den kommenden Tagen werde die Situation für die Krankenhäuser und die Bürger besonders schwierig werden. Er sprach von einer "Krise, die andauern wird, von einer Gesundheitslage, die sich nicht schnell verbessert".

Mit bisher knapp 2.000 Toten gehört Frankreich nach Italien und Spanien zu den am meisten betroffenen Ländern der EU. Innerhalb von 24 Stunden war die offizielle Zahl der Toten nach Angaben vom Freitagabend um 299 gestiegen.

Am Donnerstag hatte die Zahl der neuen Todesfälle noch bei 365 gelegen, sie ging am Freitag also leicht zurück. Allerdings sind in der Statistik nur Menschen erfasst, die in Krankenhäusern starben.

Bericht: Infizierte Ärzte arbeiten weiter

Katastrophenmediziner berichten angesichts der Corona-Pandemie über dramatische Zustände aus dem Elsass. Demnach arbeiten Mediziner an der Universitätsklinik Straßburg weiter mit Corona-Patienten, selbst wenn sie infiziert sind, und über 80-Jährige werden nicht länger beatmet. Stattdessen erfolge "Sterbebegleitung mit Opiaten und Schlafmitteln", schreiben die Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Katastrophenmedizin inTübingen in einem Bericht an die baden-württembergische Landesregierung, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Mehrere Medien haben darüber berichtet.

Das Elsass gilt als Frankreichs Epizentrum der Krise. Die deutschen Katastrophenmediziner besuchten die Universitätsklinik in Straßburg am Montag - und schlagen angesichts der Zustände Alarm. Sie berichten in dem Papier von einer "greifbaren Gefahr" durch das Virus. Unter der Annahme, dass sich die Entwicklung im Elsass bald in Deutschland einstellen werde, sei eine optimale Vorbereitung von "allerhöchster Dringlichkeit". Die Gefahr durch das Coronavirus mache "weitere konsequente Maßnahmen der Landesregierungen, der Krankenhäuser und der Rettungsdienste in Deutschland" unabdingbar.

"Schnelle Sterbebegleitung"

Nadelöhr seien die zu beatmenden Patienten, heißt es in dem Papier. Seit dem Wochenende würden Patienten, die älter sind als 80 Jahre, an der Straßburger Klinik nicht mehr beatmet. So werde auch verfahren mit Patienten in Pflegeheimen in dem Alter, die beatmet werden müssten. Sie sollen durch den Rettungsdienst eine "schnelle Sterbebegleitung" mit Opiaten und Schlafmitteln erhalten. Die Ethikkommission gebe diese Vorgehensweise vor.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert das französische Vorgehen nach Alter scharf. Lebensalter oder Herkunft dürften für die medizinische Hilfe keine Rolle spielen, sagte Vorstand Eugen Brysch. "Vielmehr stehen der Patientenwille und die medizinische Prognose im Mittelpunkt." Für die Patienten sei wichtig, seinen Willen rechtzeitig zu bekunden, etwa mit einer Patientenverfügung. Deutsche Intensiv- und Notfallmediziner hätten am Donnerstag klinisch-ethische Empfehlungen zur Versorgung von Intensivpatienten vorgelegt. Kriterium ist demnach die klinische Erfolgsaussicht der Behandlung - nicht das Alter. Mit der Handreichung sollten Zustände wie in Frankreich vermieden werden, sagt Brysch.

Die Straßburger Klinik nahm am Montag dem Bericht zufolge stündlich einen Patienten auf, der beatmet werden muss. 90 Beatmungsbetten standen zu dem Zeitpunkt zur Verfügung; die Klinik baut ihre Kapazitäten derzeit aus. Patienten zwischen 19 und 80 Jahren werden dort beatmet, wobei nur 3 der 90 Patienten jünger als 50 waren und keine Vorerkrankungen hatten. Am Universitätsklinikum wird pro Tag nur noch eine lebenswichtige Bypass-Operation durchgeführt, es gibt keine Tumor-Chirurgie mehr und keine ambulanten Operationen. Alle Patienten, die gehen können und bei denen es gesundheitlich vertretbar ist, wurden entlassen.

Grand Est eines der ersten Risikogebiete Europas

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte die an Deutschland grenzenden ostfranzösischen Gebiete Elsass und Lothringen bereits vor rund zwei Wochen als Coronavirus-Risikogebiet eingestuft. Auch die Region Champagne-Ardenne, die eine Grenze mit Belgien teilt, gilt als Risikogebiet. Die drei Gebiete bilden zusammen die Region Grand Est. Sie grenzt an Baden-Württemberg, an das Saarland und an Rheinland-Pfalz. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte bei einem Besuch einer neuen mobilen Armeeklinik am Mittwochabend im elsässischen Mülhausen (Mulhouse) eine Militäroperation zur Unterstützung der Bevölkerung an.

Nach Angaben der regionalen Gesundheitsbehörde der Region Grand Est waren bis Mittwoch 3068 Menschen mit einer Sars-CoV-2-Infektion in Krankenhäusern untergebracht. Fast 651 davon sind Patienten auf Intensivstationen. Seit Beginn der Pandemie wurden in der gesamten Region mehr als 500 Todesfälle verzeichnet.

Kranke mit TGV verlegt

Am Donnerstag verließ ein Sonder-Schnellzug mit 20 Corona-Patienten an Bord Straßburg in Richtung Westfrankreich, um die Intensivstationen in der betroffenen Region zu entlasten.

Auch die Pariser Krankenhäuser forderten Hilfe: Es müssten dringend Patienten in andere Regionen verlegt werden, "um für die Kranken von morgen oder übermorgen Platz zu schaffen", sagte der leitende Arzt Bruno Riou von der öffentlichen Krankenhausgesellschaft Assistance Publique - Hopitaux de Paris (AP-HP). Der Pariser Großraum ist neben dem Osten Frankreichs das am stärksten betroffene Gebiet.

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