Wenn das Feuer kommt, muss man schnell sein. „Ich hatte mein Auto ständig gepackt“, sagt Eva Müller.
Seit 14 Jahren lebt die Körpertherapeutin in Australien, eine Zeit lang auch in New South Wales, wo jetzt die Feuer wüten. Eigentlich, sagt sie, hätte sie gern bleiben wollen: eine Farm kaufen, einen Permakultur-Hof gründen, das war der Plan. Den hat das Feuer jetzt zunichte gemacht. „Es ist kaum mehr Wasser da“, sagt sie, eine Hofgründung wäre kaum machbar. „Irgendwie bin ich jetzt ein Klimaflüchtling. Ich komme nach Österreich zurück.“
Dörfer ausgelöscht
Das, was sich derzeit in Australien abspielt, ist für Beobachter auf der anderen Seite des Erdballs nur schwer vorstellbar. Brände gehören dort dazu wie die wechselnden Jahreszeiten in Europa. Doch Zustände wie jetzt sind weit entfernt von normal: „Die Brandsaison startet normalerweise im Jänner oder Februar, heuer hat es schon im Oktober zu brennen begonnen“, sagt Müller. In New South Wales, wo die Lage am explosivsten ist, hat es seit Februar nicht geregnet. Mittlerweile ist eine Fläche von der Größe Kroatiens abgebrannt, und die Regierung hat Touristen untersagt, sich im Küstengebiet aufzuhalten. „Ganze Dörfer sind dort ausgelöscht, die Bewohner campen am Strand.“
Wer nach den Gründen fragt, bekommt verschiedene Antworten. Für Müller ist das Ganze eine Folge des Klimawandels: „Es geht seit Jahren so, dass der Regen weniger wird. Die Wälder vertrocknen dadurch und werden Feuerfutter“, sagt sie. Dazu kommt die Wasserknappheit, die nicht nur natürliche Ursachen hat. Flüsse und Grundwasserreserven werden massiv ausgebeutet, Wasser ist zum lukrativen Geschäft geworden – vor allem für die Agrarindustrie. Immer wieder poppen Skandale um Unternehmen auf, die zu viel Wasser abpumpen oder denen die Politik zu große Nutzungsrechte eingeräumt hat. „Wasser ist hier Handelsware – in einem der trockensten Länder der Welt. Das ist skrupellos“, sagt Müller.
Der Kohle-Kumpel
Für die Politik gilt diese Erklärung freilich nicht. Premier Scott Morrison, ein Liberaler, glaubt an rein natürliche Ursachen; die hohen CO₂-Emissionen durch die Kohleindustrie hätten mit Dürre, Hitze und Bränden nichts zu tun. Im Gegenteil: Morrison genehmigte kürzlich den Bau einer der größten Kohleminen der Welt. Sie wird im Vollausbau so viel Kohlendioxid ausstoßen wie ganz Chile. Der Regierungschef hat seinen Ruf als „Kumpel der Kohleindustrie“ also nicht von ungefähr, schließlich bremst Australien auch bei internationalen Klimaabkommen. Warum? Weil es mit seinen Kohleexporten fünf Prozent der globalen Emissionen verursacht – bei nur 25 Millionen Einwohnern.
„Australien ist klimapolitisch ganz im Abseits“, sagt Müller. Mit Blick auf die vielen Jobs in der Kohleindustrie traue sich die Politik nichts. Dass ein Land, wo Hitze und Wind normal sind, nicht auf erneuerbare Energieträger setzt, ist aus europäischer Sicht nicht nachvollziehbar – dabei ist sogar die Solarenergie-Forschung sehr stark. Allein, „die Technologie wird kaum umgesetzt, sie wird nur ins Ausland verkauft“, sagt Müller.
Worauf sie jetzt hofft, ist der Druck der Bevölkerung. Jetzt, da auch die Bewohner der Metropole Sydney die Auswirkungen der Feuer spüren, steigt der Zorn. „Sonst waren ja immer nur Gebiete am Land betroffen.“
Wie sich dieser Ärger anfühlt, konnte Morrison kürzlich selbst erleben. In einem Ort an der Küste, der durch die Brände massiv in Mitleidenschaft gezogen wurde, haben ihn Bewohner wüst beschimpft; die Videos gingen schnell viral. Ihnen fehlt es an Unterstützung: Die Feuerwehrleute – die meisten sind Freiwillige – sind bereits seit Monaten im Einsatz, „sie verwenden dafür ihren Urlaub, riskieren ihre Jobs“, sagt die Oberösterreicherin. Unterstützung für sie gebe es kaum, auch an Luftschutzmasken mangle es. „Die Bevölkerung hört aber nur: Habt Geduld.“
"Wachsam sein"
Am Wochenende soll sich die Wetterlage in New South Wales wieder verschlimmern. Tausende machen sich darum Richtung Norden auf, die Marine brachte am Freitag Eingeschlossene in Sicherheit. Das Benzin in der Region wird langsam knapp.
Müller wird sich währenddessen in die andere Richtung aufmachen, sie fährt mit dem Auto ein letztes Mal zurück nach New South Wales. 1500 Kilometer, eine aufreibende Reise. „Ich riskiere natürlich nicht mein Leben“, sagt sie. „Aber man muss sehr wachsam sein.“
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