Experten warnen: Brückenrest in Genua möglichst bald abreißen
Ein Teil der Reste der eingestürzten Brücke in Genua muss nach Ansicht von Experten schnell abgerissen oder gestützt werden. Das geht aus einem Schreiben einer Expertenkommission an die Behörden vor, wie die Nachrichtenagentur Ansa am Mittwoch berichtete. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums bestätigte den Bericht. Die Warnung betrifft nur den östlichen Rumpf des Morandi-Viadukts, das vor mehr als einer Woche in der italienischen Stadt eingestürzt war. Nach Angaben der Feuerwehr von Montag waren am östlichen Rumpf auffällige Geräusche wahrgenommen worden.
„Man muss sicher den Rumpf so schnell wie möglich abreißen. Erstens um die Sicherheit zu garantieren, auch wenn das Gebiet bereits geräumt ist und deshalb kein Mensch in Gefahr ist. Zweitens weil ohne den Abriss der Wiederaufbau nicht beginnen kann“, sagte der Präsident der Region Ligurien und Kommissar für den Wiederaufbau, Giovanni Toti.
Der Brückenbetreiber Autostrade per l'Italia hatte angekündigt, innerhalb von acht Monaten eine neue Autobahn-Brücke zu bauen, sobald eine Genehmigung vorliege. Die Brücke war eine wichtige Verkehrsachse, ohne sie droht ein langer Verkehrskollaps.
Debatte um Verstaatlichung
Nach dem Einsturz einer Autobahnbrücke tobt in Italien eine Debatte über eine Verstaatlichung des Autobahnnetzes. "Nach der Tragödie in Genua ist die Verstaatlichung des Autobahnsystems kein Tabuthema mehr", sagte Vize-Verkehrsminister Edoardo Rixi nach Medienangaben.
Rixi zufolge müsse das System der Autobahnkonzessionen für private Betreiber geprüft werden. Die Gesellschaft Autostrade per l'Italia, Tochter der von der Familie Benetton kontrollierten Infrastrukturholding Atlantia, betreibt die Autobahn, zu der die in Genua eingestürzte Brücke gehört. Bei dem Unglück kamen vergangene Woche mehr als 40 Menschen ums Leben. Die Regierung in Rom wirft Autostrade vor, nicht für eine sichere Brückenstruktur gesorgt zu haben. Sie will dem Unternehmen nun die Zuständigkeit für fast 3.000 Autobahnkilometer entziehen.
Befürworter der Verstaatlichung des Autobahnnetzes nehmen sich Österreich als Beispiel. "Autobahnen in öffentlicher Hand können funktionieren. Es gibt erfolgreiche Beispiele in Österreich, Deutschland und in Großbritannien", kommentierte der Präsident der Region Toskana, der Sozialdemokrat Enrico Rossi.
75.000 Bürger in Genua unterzeichneten eine Petition auf der Internet-Plattform Change.org, mit der die Verstaatlichung von "Autostrade per l'Italia" gefordert wurde. "Die Italiener zahlen enorme Summen für die Autobahnmaut und erhalten dafür schlechte Dienstleistungen. Trotz milliardenschwerer Einnahmen der Autobahnbetreiber stürzen Brücken und Viadukte in Italien ein. Es ist Zeit, Schluss zu sagen", betonte der Initiator der Aktion, Mirko Bertoldi. Mit der Petition fordert Bertoldi die Einführung eines Vignetten-Systems nach Schweizer Modell statt der in Italien geltenden Maut.
Ex-Parlamentspräsident Pier Ferdinando Casini meinte, die Verstaatlichung des Autobahnnetzes sei keine Antwort auf die Nachfrage nach mehr Sicherheit im italienischen Infrastruktursystem. Die Privatisierungen der vergangenen Jahrzehnte dürften nicht rückgängig gemacht werden. Wichtig seien jedoch mehr Sicherheitskontrollen
Durch den Einsturz waren 43 Menschen gestorben. Unter der Brücke liegen einige Wohnhäuser, die bereits evakuiert wurden. Bewohner dürfen auch keine Besitztümer aus den Häusern holen.
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