Dürre ohne Ende: Lokalaugenschein in Italien
Aus Pavia Andrea Affaticati
Landwirte scheuen normalerweise vor wortgewaltigen Ansagen zurück. Wenn also von „apokalyptischen Zuständen“ die Rede ist, läuft es einem kalt über den Rücken. Doch genau das sind die Worte, die die Bauern nutzen, um die aktuelle Lage in der Reisanbaugegend Lomellina bei Pavia in der norditalienischen Lombardei zu beschreiben.
Ausgetrocknete Maisacker und schwarze Reisfelder prägen das Bild der Landschaft. Die Landwirte sind verzweifelt: Die Lokalzeitungen berichten von gegenseitigen Wasserdiebstählen aus den Bewässerungskanälen. Ein Priester hat seine Kirchengemeinde zum Gebet aufgerufen, damit es endlich regnet. Laut Landwirtschaftsverbänden hat die anhaltende Dürre in Italien mittlerweile Schäden von über drei Milliarden Euro angerichtet.
Die Bauern fordern ein Durchgreifen von Rom: Als Erstes müsse die Regierung dafür sorgen, dass der Wasserkrieg zwischen den Regionen ende, „und landwirtschaftliche Großräume zur Zusammenarbeit bringen“, sagt Alberto Lasagna dem KURIER. Er ist Wasserbauingenieur und Direktor des Agrarverbandes Confagricoltura in Pavia. Er war es, der die Formulierung der „apokalyptischen Zustände “ verwendete und die Reisgegend der Lomellina als den Brandherd dieser bezeichnete.
Hoffen auf Regen
„Ja, die Lage ist verdammt ernst“, stimmt ihm Luca Antonioni zu, 34 Jahre alt, Reisbauer in dritter Generation. Er hat Ingenieurwissenschaft studiert, sich aber dann für die Leitung des Familienbetriebs in der Ortschaft Tromello entschlossen. „Wenn man sich hier in der Gegend umsieht, dann hat unser Betrieb, bis jetzt zumindest, Glück gehabt. Im Moment gehen wir von 20 Prozent weniger Ernteertrag aus. Wenn es aber weiter nicht regnet, dann können auch wir dieses Jahr ganz abschreiben.“ Regen ist aber noch lange nicht in Sicht.
Am Abend sitzt Antonioni oft mit Vater und Großvater zusammen, um die Lage zu besprechen. Die älteren Landwirte sind fassungslos, so eine Verwüstung hätten sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen.
So richtig bewusst wird einem das Ausmaß der Dürre beim Anblick des Po: Die Brücke Ponte della Gerola ist 880 Meter lang. Normalerweise nimmt der Fluss fast die ganze Breite ein. Jetzt sieht man nur Rinnsale, die versuchen, sich ihren Weg zu bahnen, irgendwo aber aufgeben und versickern. Wenn der Fluss kein Wasser hergibt, dann gibt es auch fast keines in den Bewässerungskanälen. In vielen liegt der Wasserstand unter null.
Eigeninitiative
Silvia Bernini ist Beraterin des Naturschutzgebiets Parco del Ticino und Landwirtin. Ihr Betrieb liegt auf der südlichen Seite des Po, im Oltrepo Pavese, eine Gegend, die besonders Weinschmeckern ein Begriff ist. Auch dort macht die Trockenheit den Landwirten zu schaffen. „Freilich war das, was wir jetzt erleben, nicht vorhersehbar, aber irgendwie haben wir die Anzeichen auch verschlafen“, sagt sie. Für ihre 44 Hektar Land, auf dem vorwiegend Getreide gepflanzt ist, hat sie schon im Vorjahr Vorkehrungen getroffen: „Ich hab den wasserintensiven Maisanbau ausgesetzt und stattdessen Gerste und Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen, die man im Herbst und Winter sät, angebaut.“
Der Politik ist der Ernst der Lage bewusst, sie hat für die Regionen Piemont, Lombardei Emilia-Romagna, Veneto und Friaul Julisch-Venetien den Notstand ausgerufen. Außerdem wurden Hilfsgelder in Höhe von 36,5 Millionen Euro bewilligt. In Kürze ein „Dürre Sonderkommissar“ ernannt werden; was der dann kann und macht, ist noch nicht bekannt.
Dem Wasserbauingenieur dauert das zu lange: „Was wir als Erstes brauchen, um vielleicht noch einen Teil der Ernte zu retten, ist eine Bestandsaufnahme der Staudämme, ihren Zustand und wie viel Wasser daraus abgeleitet werden kann“, sagt Alberto Lasagna. Er führt seit dem 10. Februar Tagebuch über den Grundwasserstand: „Da es im Winter fast nicht geschneit und geregnet hat, konnte man schon eine Ahnung von der Wasserknappheit haben, die uns erwarten würde.“
Er plädiert unter anderem dafür, dass aus den 45 Wasserkraftwerken, die sich im Piemont und der Lombardei befinden, „ein Teil abgezweigt wird – und zwar sofort. Das würde außerdem auch dem Po Fluss helfen. Wir müssen uns den Boden wie einen Schwamm vorstellen. Das überschüssige Wasser fließt in diesen ab“, ruft Lasagna Richtung Rom. Ob der „Sonderkommissar“ reagiert, wird sich zeigen.
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