Der Kreml krallt sich das Internet

Der Kreml krallt  sich das Internet
Umstrittenes Gesetz zur Internet-Kontrolle ist in Kraft – was fehlt, sind die technischen Voraussetzungen.

Eine Frage der „nationalen Sicherheit“ sei es – so argumentiert der Kreml. Kritiker sehen in jenem Gesetz, das am Freitag in Kraft trat, hingegen vor allem die gesetzliche Grundlage für die totale Kontrolle des Internets durch den russischen Staat. Seit Freitag gilt es also: Jenes Gesetz mit dem Namen „Souveränes Internet“, das schon bei seiner Verabschiedung im Frühjahr Proteste nach sich gezogen hatte.

Zusammengefasst sieht das Paragrafenwerk Folgendes vor: Der Internetverkehr in Russland soll künftig nur mehr über Knotenpunkte im Land abgewickelt werden; Anbieter müssen zudem über spezielle Soft- und Hardware sicherstellen, dass die staatliche Aufsichtsbehörde Roskomnadsor Zugriff auf den Datenverkehr hat. Ziel ist ein russisches Intranet, ein „Runet“ – also die Möglichkeit für Behörden, das Internet jederzeit vom Rest der Welt abtrennen zu können.

Die russische Führung verkauft das Projekt als Maßnahme gegen Hackerangriffe. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte zudem, es bestünde weniger die Gefahr, dass sich Russland vom Internet abkopple, als dass der Westen Russland vom Netz abklemme. Daher brauche es eine unabhängige digitale Infrastruktur. Und die beinhaltet auch umfangreiche Datenspeicherung.

Infrastruktur

Schon jetzt müssen Unternehmen ihren Datenverkehr monatelang speichern. Das trifft vor allem soziale Netzwerke, die überwiegend über US-Server laufen. Die Daten russischer Nutzer dürfen aber schon auf Basis eines anderen Gesetzwerkes nicht mehr im Ausland gespeichert werden. Für das „Runet“ aber fehlt es noch an Infrastruktur. Die soll bis 2021 aufgebaut werden.

Kritiker orten in der Internet-Strategie des Kreml jedenfalls vor allem den Versuch, sich exklusiven Zugriff auf Inhalte im Netz zu sichern, um Seiten einfacher als bisher sperren, den Datenverkehr zu verlangsamen oder ganz schließen zu können. Sorgen bereiten Kritikern vor allem auch Bestimmungen zur umfangreichen Datenspeicherung.

In der russischen Internet-Aktivisten-Szene wird vor allem debattiert, wie effektiv die Staats-Kontrollen sein werden: Und die Meinungen reichen von zahnlos bis extrem. Der Gründer der NGO Roskomswoboda, Andrey Kosliuk, zweifelt vor allem wegen der Leitungsdichte an der Machbarkeit: Denn anders als in China, wo das Internet von Anfang an zentral reguliert war, habe Russland zu viele Leitungsverbindungen ins Ausland.

Einen Testbetrieb gab es jedenfalls bereits in der Ural-Region. Und auch hier gab es kein eindeutiges Ergebnis: Staatsnahe Stellen vermeldeten vollen Erfolg, die Nowaja Gazeta hingegen schrieb, dass die Staatskontrollen einfach zu umgehen seien.

Trotz offener technischer Fragen bereitet das Gesetz Kritikern jedenfalls große Sorgen. Denn wie es ein Aktivist nennt: „Nach allen bisherigen Erfahrungen, ist jetzt das Schlimmste zu erwarten.“

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