Debatte um Atommülldeponie: Suche nach einem Lager für die Ewigkeit
Gorleben, eine kleine Gemeinde an der Elbe in Niedersachsen, hält vor 25 Jahren die Republik in Atem. Bilder von Sitzblockaden auf Gleisen oder brennende Strohballen gehen durch die Medien. Tausende Atomkraftgegner wollten den Transport von radioaktivem Müll ins Zwischenlager verhindern. Seit Jahrzehnten ist der kleine, dünn besiedelte Ort nahe der DDR-Grenze, Mittelpunkt des deutschen Anti-Atom-Protests. Begonnen hat es 1977, als beschlossen wurde, dort ein „nukleares Entsorgungszentrum“, bestehend aus Zwischenlager, einer Wiederaufarbeitungsanlage, und einem Endlager für Atommüll einzurichten.
Am Ende wurde es ein oberirdisches Zwischenlager. Ein Endlager, wo einmal Tausende Tonnen radioaktiver Müll schlummern sollen, ist noch nicht gefunden. Doch die Zeit drängt, 2022 soll der letzte Meiler vom Netz gehen. Bis 2031 will man einen Standort gefunden haben. Da darauf Genehmigungsverfahren und Bauphase folgen, ist frühestens 2050 mit einem Endlager zu rechnen.
Um die Fehler der 1970er zu vermeiden, müssen die Menschen besser in den Prozess miteinbezogen werden, findet Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, das das neue Standortauswahlverfahren beaufsichtigt. „Es muss nachvollziehbar, die Kriterien wissenschaftlich fundiert und im Vorhinein transparent definiert sein. Das sind zentrale Voraussetzungen für die Glaubwürdigkeit des Verfahrens und dass Bürgerinnen und Bürger es als fair empfinden können.“
In Gorleben wurden sie einst von der Ankündigung eines Endlagers überrascht. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, auf welcher Grundlage die Entscheidung getroffen wurde, erklärt König. Der 62-Jährige protestierte einst selbst gegen Atomkraft, nun leitet er die Behörde, die bei der Entsorgung des Atommülls die Sicherheit im Blick hat.
Welcher Ort eignet sich?
Dafür muss ein Ort gefunden, der etwas ermöglicht, was fern der menschlichen Vorstellungskraft liegt: hoch radioaktiven Abfall für mindestens eine Million Jahre unter der Erde einzuschließen. „Wir suchen eine stabile geologische Formation, die über eine unendlich lange Zeit sicherstellt, dass die radioaktiven Stoffe von der Umwelt abgeschirmt werden.“
Laut König eignen sich Ton, Salz oder Kristallin, besonders Granit, als Wirtsgestein. In Finnland wird gerade eine Deponie im tiefen Granit gebaut. Man stehe im Austausch, sagt König. „Alle haben Vor- und Nachteile und müssen fachlich in Betracht gezogen werden, entscheidend ist am Ende das gesamte Endlagerkonzept“, sagt er – auch mit Blick auf die jüngste politische Debatte. Einige Ministerpräsidenten, deren Länder wegen geologischer Beschaffenheit geeignet sind (Sachsen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern) wehren sich im Vorfeld.
Politische Querschüsse hält Wolfram König für kontraproduktiv. Letztlich muss in der Gesellschaft eine breite Akzeptanz herrschen. Diese könne nur gelingen, wenn die Menschen mitsprechen können und nicht das Gefühl haben, die Entscheidung für den Standort, die der Bundestag am Ende trifft, fuße nicht auf fachlichen und sicherheitsgerichteten Kriterien. In den nächsten Jahren sollten daher Gruppen aus dem mit der Suche beauftragten Unternehmen, Wissenschaftern, Kommunalvertretern und interessierten Bürgern gemeinschaftlich einen Bericht erstellen, „in dem Erkenntnisse, Bedenken und Fragen zusammengefasst werden“.
„Am Ende muss ein Ort die Last tragen, die während der jahrzehntelangen Atomstromproduktion angefallen ist.“ Ein bisschen Klarheit könnte es im Herbst geben. Da will die Bundesgesellschaft für Endlagerung Regionen benennen, die sich aus ihrer Sicht nicht eignen, etwa wegen Bergbautätigkeit. Vorerst gilt aber die weiße Landkarte – auch für Gorleben.
Kommentare