Brasilien: Angst vor genetisch veränderten Moskitos

Brasilien: Angst vor genetisch veränderten Moskitos
Kritiker warnen vor den unvorhersehbaren Folgen eines angeblich "überstürzten" Feldversuchs.

Gentechnisch veränderte Moskitos breiten sich nach einem Feldversuch in Brasilien aus: So könnte auch ein Horrorfilm beginnen. Am Beginn der Handlung steht die Ortschaft Jacobina im Nordosten von Brasilien. Dort tragen je nach Stichprobe zehn bis 60 Prozent der Gelbfiebermücken (Aedes aegypti) entsprechende Spuren im Genom, berichten Wissenschafter in der Fachzeitschrift Scientific Reports.

Hintergrund: Das britische Unternehmen Oxitec hatte von 2013 bis 2015 wöchentlich rund 450.000 männliche Gelbfiebermücken mit verändertem Erbgut in Jacobina freigelassen. Die Gene der Moskitos waren so verändert worden, dass die Nachkommen der Insekten nicht überlebensfähig sein sollten. Ziel war eine Eindämmung der Population der Mücken, die unter anderem Gelbfieber, Dengue-Fieber und das Zika-Virus übertragen können. Die Erreger werden nur von den weiblichen Tieren weitergegeben.

"Überstürzt"

Zwar konnte die Anzahl der Moskitos mit dieser Methode verschiedenen Studien zufolge tatsächlich um 80 bis 95 Prozent reduziert werden. Allerdings überlebten einige Moskitos und tragen nun ein verändertes Erbgut in sich. "Die Aussetzung wurde überstürzt vorgenommen, ohne dass einige Punkte geklärt waren", kritisiert der brasilianische Biologe Jose Maria Gusman Ferraz in der Zeitung Folha de S. Paulo.

Das Forschungsinstitut Testbiotech kritisiert den Feldversuch. "Die langfristigen Folgen bezüglich einer Verbreitung von Krankheiten, der Vermehrung der Mücken und der Wechselwirkungen mit der Umwelt können nicht abgeschätzt werden", heißt es in einer Mitteilung des eher gentechnik-kritisch eingestellten Instituts.

Feldversuch ohne ausreichende Studien?

Zudem wirft Testbiotech Oxitec vor, den Feldversuch ohne ausreichende Studien gestartet zu haben. "Die Versuche der Firma Oxitec haben zu einer weitgehend unkontrollierbaren Situation geführt", sagt Geschäftsführer Christoph Then. Dabei könnten im schlimmsten Fall die Schäden weder durch Versicherungen abgedeckt noch durch Notfallmaßnahmen korrigiert werden. "Dieser Vorfall muss Folgen für den weiteren Einsatz der Gentechnik haben", fordert Then. "Die Verhinderung einer Ausbreitung von Gentechnik-Organismen in natürlichen Populationen muss in Zukunft höchste Priorität haben."

Welche Folgen die Übertragung des gentechnisch veränderten Erbguts auf künftige Generationen von Gelbfiebermücken hat, sei noch unklar, heißt im Journal Scientific Reports. Möglicherweise seien die Gentechnik-Mücken robuster und resistent gegen Insektizide, schreibt das Team um Jeffrey Powell von der Yale University in New Haven (USA) in der Studie und betont: "Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig ein Überwachungsprogramm bei der Aussetzung gentechnisch veränderter Organismen ist, um nicht erwartete Folgen festzustellen."

Mittlerweile hat Oxitec seine Strategie geändert. Die zweite Generation der gentechnisch veränderten Moskitos ist so programmiert, dass lediglich die weiblichen Nachkommen nicht lebensfähig sind. Die männlichen jungen Männchen hingegen überleben und können sich mit wilden Weibchen paaren. Das Überleben von gentechnisch veränderten Gelbfiebermücken ist in dem neuen Programm also gewollt, um gezielt die Population der gefährlichen Weibchen einzudämmen.

600 Prozent mehr Dengue-Fälle

So weit verbreitet die Panik gegenüber Gentechnik auch ist: Brasilien braucht Hilfe. Das von Mücken übertragene Dengue-Virus breitet sich wieder kräftig aus. Die Zahl mutmaßlicher Dengue-Fälle sei seit Anfang des Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 599,5 Prozent auf 1,4 Millionen gestiegen, teilte das Gesundheitsministerium des südamerikanischen Landes am Mittwoch mit.

Die Zahl der bestätigten Todesfälle durch das Dengue-Virus stieg in diesem Jahr auf 591. Im gleichen Zeitraum waren es 2018 noch 141 Todesfälle gewesen.

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