Alternde Akw als Hochrisiko für ganz Europa

Protest für den Stopp des belgischen AKW Tihange
Keiner der 125 Reaktoren in Europa würde heute bei Neustart die Sicherheitsstandards erfüllen

Seit Jahren machen die belgischen Atommeiler Tihange 2 und Doel 3 Schlagzeilen. Zahlreiche feine Risse in den Druckbehältern der 35 Jahre alten Reaktoren beunruhigten sogar das benachbarte Deutschland so sehr, dass man eigene Experten schickte.

Die gaben zwar Entwarnung, doch die deutsche Umweltministerin Svenja Schuze (SPD) warnte: „Atomenergie trägt immer ein Restrisiko, insbesondere wenn es um alte Atomanlagen geht. Und hier sprechen wir über alte Atomanlagen.“

Trotz der sich häufenden Sicherheitsprobleme werden Belgiens sieben Reaktoren, die rund 50 Prozent des Strombedarfs liefern, bis 2025 weiter laufen. Mit entsprechendem Risiko: „Jedes Jahr zusätzlichen Betriebs bei einem AKW dieses Alters steigert das Risiko für Störfälle um bis zu 15 Prozent“, warnt der britische Atomphysiker Paul Dorfman.

125 Atomreaktoren sind in ganz Europa in Betrieb. Keiner von ihnen ist jünger als zehn Jahre, rund ein Drittel hat sogar 40 Betriebsjahre oder mehr erreicht. Weil der Neubau von Atomkraftwerken extrem teuer ist, versuchen die AKW-Betreiber Verlängerungen für den Betrieb ihrer Reaktoren zu erhalten.

„Das bedeutet ein signifikant höheres Risiko“, sagt auch Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober. Zusammen mit den Europäischen Grünen präsentiert er gestern in Brüssel eine internationale Studie, für die 15 Experten aus sechs EU-Staaten die Risiken von Langzeitverlängerungen für alte Atomkraftwerke untersucht haben.

Alternde Akw als Hochrisiko für ganz Europa

Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne)

Fazit: Keiner der 125 Atomreaktoren würde nach den heutigen, viel strengeren Sicherheitsstandards bei einem Neustart überhaupt eine Betriebserlaubnis erhalten. „Wir brauchen auf europäischer Ebene dringend einheitliche Standards bei Laufzeitverlängerungen“, fordert Anschober stellvertretend für die „Allianz der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg“. (Ihr gehören 16 EU-Regionen an). AKW sollten nicht länger als 40 Jahre in Betrieb sein dürfen.

Nachrüstung nötig

In der Atomlobby und in der EU-Kommission sieht man das allerdings anders: Dort geht man davon aus, dass einige Reaktoren bis zu 60 Jahre lang arbeiten können.

Wobei der österreichische Atomexperte Nikolaus Müllner zu bedenken gibt: „Ein 50 Jahre altes AKW kann man technisch gar nicht auf den neustens Stand bringen. Es gibt Grenzen der Nachrüstung.“ Auch ein 50 Jahre altes Auto könne man besser ausstatten, meint Müllner, aber es werde niemals ein neues sein. Konkret heiße das: "Wir akzeptieren bei alten Anlagen ein höheres Risiko."

14 der 28 EU-Staaten sowie die Schweiz betreiben Atomkraftwerke – mit sinkender Tendenz. Mit Abstand größter Atomstromproduzent in Europa ist Frankreich – mit 58 Reaktoren an 19 Standorten.

Den Ausstieg aus der Atomproduktion hält Anschober in Europa dennoch für machbar: „Es geht, wenn man es planbar und vernünftig macht und die Erneuerbare Energie ausbaut'“. Dafür könne man sich den deutschen Atomausstieg zum Vorbild nehmen. Deutschland will seine letzten noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke spätestens 2022 abschalten.

Alternde Akw als Hochrisiko für ganz Europa

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