Ein Flug von Wien Schwechat nach Tuzla im Nordosten von Bosnien und Herzegowina kostet aktuell an manchen Tagen weniger als ein Abendessen in einem österreichischen Gasthaus: 12,99 Euro. Nämlich dann, wenn man mit der ungarischen Billigairline Wizz Air fliegt. Als Industriestadt zieht Tuzla nur wenige Touristen an, die besuchen eher die Hauptstadt Sarajevo.
➤ Mehr lesen: Weitwandern in Bosnien
Der staatliche Flughafen Tuzla ist vielmehr als eine Art Drehkreuz für Low-Cost-Airlines bekannt, wird er doch vor allem von Menschen aus Bosnien selbst, der Diaspora sowie Reisenden aus den Nachbarländern Kroatien und Serbien genutzt.
Eine, die das Angebot regelmäßig nutzt, ist Dina Murtić. Sie stammt aus Tuzla, kam 2004 zum Studieren nach Wien – und blieb. Ihre Familie ist noch in der alten Heimat, erzählt die 38-Jährige. Mindestens drei Mal im Jahr sei sie hingeflogen: „Wenn ich meine Eltern vermisst habe, bin ich einfach in den Flieger rein und war in drei Stunden dort.“ Sie spricht in der Vergangenheitsform, weil das für sie und viele andere so bald nicht mehr möglich sein wird.
Wizz Air kündigte an, ihre Flüge von Wien nach Tuzla ab 12. September zu streichen. Auch aus Berlin, Stockholm, Kopenhagen und anderen EU-Städten fliegt die Airline künftig nicht mehr hin. Ihre Basis in Sarajevo machte das Unternehmen bereits 2022 dicht. Auch Ryanair, eine irische Airline mit ähnlich niedrigen Preisen, stellte mit Juni 2023 ihre Flüge nach Tuzla ein.
➤ Mehr lesen: Interview mit Ryanair-Topmanager Andreas Gruber
Die Alternativen sind teurer: Ein Ticket von Wien nach Sarajevo bei den Austrian Airlines kostet etwa zwischen 150 und 430 Euro. Für Murtić ist das zu viel. Mit Mann und zwei Kindern käme sie auf mindestens 600 Euro pro Strecke.
„Das zahlt sich nicht aus“, sagt sie. Die Fahrt mit Bus oder Auto ist lang und anstrengend. Nach Tuzla sind es ohne Grenzwartezeiten acht Stunden Fahrzeit, noch mehr sind es nach Podgorica in Montenegro. Auch dorthin gibt es zumindest vorübergehend bald keine Wizz Air-Flüge aus Wien mehr.
"Komplizierte Wetterbedingungen"
Bezüglich der Flüge nach Tuzla übermittelte Wizz Air dem KURIER ein Statement der Geschäftsführung. Darin heißt es, die Streichungen hingen mit dem „schwierigen makroökonomischen Umfeld“ und „komplizierten Wetterbedingungen in der Region, wie z. B. häufige Nebel“ zusammen. Medien und NGOs vermuten in beiden Ländern noch einen Grund: die Erhöhung der Flughafengebühren, deren Gründe nicht ganz klar sind.
Das deutsch-bosnische Pangea Netzwerk bat den bosnischen Verkehrsminister Edin Forto in einem offenen Brief, das Gebührengeld aus dem Staatshaushalt zurückzuerstatten. Angesichts der hohen Anzahl von Menschen aus Bosnien in den betroffenen Destinationen – von denen viele regelmäßig Geld an die Verwandten zu Hause überweisen und während Heimaturlauben in Dienstleistungen und Güter investieren – sei es besorgniserregend, dass „keiner der verantwortlichen Politiker reagiert.“
Dina Murtić jedenfalls wird weiterhin so oft wie möglich zu ihrer Familie reisen, mit dem Auto. Dass diese Besuche seltener werden, ist für sie jedoch Gewissheit – eine, die sie traurig stimmt.
Kommentare