Vorrang für Fahrgemeinschaften

Vorrang für Fahrgemeinschaften
Wiener Landessprecher will eigene Autobahn-Spur für Pkw mit mehreren Insassen.

Im Frühverkehr an den langen Stauschlangen auf den Stadteinfahrten vorbeibrausen – danach hat sich so mancher Pendler schon oft gesehnt. Die Wiener Grünen wollen diesen Wunsch nun erfüllen – aber nur jenen, die Mitfahrer einsteigen lassen.

Konkret will Landessprecher Joachim Kovacs auf der Südautobahn (A2) bei Wien eine sogenannte "grüne Spur" testen. Sie soll Lenkern vorbehalten sein, die mindestens eine Person chauffieren oder ein E-Auto fahren. So soll langfristig die gleiche Anzahl an Personen in weniger Autos ans Ziel kommen – wodurch das Verkehrsaufkommen sinken würde. Zahlen des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zeigen, dass es bei der Auto-Besetzung Luft nach oben gibt: In den Fahrzeugen, die die Wiener Stadtgrenze passieren, sitzen im Schnitt lediglich 1,1 Personen. In ganz Österreich werden nur fünf Prozent der Arbeitswege als Mitfahrer zurückgelegt.

"Grüne Spuren können auch zur Reduktion des CO2-Austoßes einen positiven Beitrag leisten", ist Kovacs überzeugt. Als möglichen Startpunkt für die Testspur nennt er Guntramsdorf (NÖ). Laufe der Testbetrieb gut, könne man das Konzept auf andere Autobahnen ausdehnen.

Vorrang für Fahrgemeinschaften
Interview mit dem Landessprecher der Wiener Grünen Joachim Kovacs am 20.11.2017 am Yppenplatz in Wien-Ottakring.

Rüdiger Maresch, Verkehrssprecher der grünen Rathausfraktion in Wien, will auf dem exklusiven Fahrstreifen auch Busse zulassen. "Es geht darum, Pendlern eine schnelle Alternative zu bieten, damit wir weniger Autos in Wien haben." Die grünen Spuren sollen nicht in Konkurrenz zum Öffi-Ausbau stehen, betont Kovacs. Aber: "Wenn das Verkehrsministerium und die Landeskaiser in Niederösterreich und im Burgenland kein Öffi-Netz für die Pendler zur Verfügung stellen, müssen wir Vorschläge machen."

Märchen Aufblaspuppe

Wolfgang J. Berger vom Institut für Verkehrswesen an der Universität für Bodenkultur (BOKU) hat derartige Streifen für mehrfach besetzte Kraftfahrzeuge (mbK), wie es im Fachjargon heißt, für den Raum Wien bereits vor 15 Jahren untersucht. "Die Studie zeigt, dass sich ein mbK-Streifen in gewissen Bereichen volkswirtschaftlich lohnen würde – wegen der personenbezogenen Zeitersparnis", sagt er. Aber es gebe Hindernisse: "Gemeinsam an den Arbeitsplatz zu kommen, mag ja noch gehen. Doch wie komme ich wieder heim?" Auch die Überwachung sei schwierig. Das "klassische" Gegenargument, dass Lenker mit Aufblaspuppen schummeln, stimme hingegen nicht. Berger: "Das klingt witzig, ist real aber ein Märchen."

Vorreiter

In Oberösterreich ist eine "grüne Spur" auf der Rohrbacher Straße seit 1998 Realität. Zwischen Puchenau und Linz dürfen Autos mit mindestens drei Insassen stadteinwärts auf rund drei Kilometern die Busspur nutzen. Auf dem Streifen ist die Fahrzeit im Pendlerverkehr laut Berechnungen der BOKU um 20 Minuten kürzer. Die Polizei kontrolliert die Einhaltung. Bei Barzahlung kostet ein Verstoß 20 Euro; für eine Strafverfügung sind bis zu 70 Euro fällig. Auch international gibt es zahlreiche Beispiele für mbK-Streifen – etwa in Madrid, Bristol und mehreren Städten in den USA.

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Fahrstreifen für Fahrgemeinschaften zwischen Puchenau und Linz auf der B127 (Rohrbacher Bundesstraße), Busspur, Fahrstreifen für mehrfach besetzte Kraftfahrzeuge (mbK), fast lane, carpool lane

Skepsis

Kovacs hofft nun auf Gespräche mit dem Verkehrsministerium. Dort zeigt man sich vorerst ablehnend: Man wolle den Vorschlag nicht verfolgen, sagt ein Sprecher. "Die A2 bei Guntramsdorf ist einer der am stärksten befahrenen Autobahnabschnitte Österreichs."

Das bestätigen die Daten des VCÖ. Bei Biedermannsdorf sind im Schnitt pro Tag 151.730 Pkw und Kleintransporter unterwegs. Kenner der Situation halten von einem Testbetrieb auf der A2 daher wenig. Schon jetzt sei die Strecke mit vier Spuren in der Früh und am Abend ein Hotspot. Gebe es eine Panne oder einen Unfall stehe die Kolonne. Sperre man eine Spur, verschärfe sich die Situation.

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