Verzweifelter Kampf ums Schmerzensgeld
Der 6. August 2008 war der Tag, der alles verändern sollte: Susanne und Christian Winkler aus Grub im Wienerwald (NÖ) waren mit ihren Kindern auf Urlaub in Kroatien, als zwei ihrer Söhne beim Schwimmen von einem Motorboot erwischt wurden. Der 16-jährige Tobias starb, der damals 14-jährige Nico verlor ein Bein. Seit 2010 läuft der Zivilprozess um das Schmerzensgeld. Die Familie spricht von einer Verzögerungstaktik vonseiten der Versicherung – dort entgegnet man, man hoffe ebenso auf ein rasches Urteil.
Über die Ereignisse im August 2008 möchten die Eltern nicht mehr im Detail sprechen. Dennoch prägen die Folgen – Trauer, Geldsorgen, die Schmerzen des verletzten Sohnes – nach wie vor den Alltag. "Wir haben unsere Jobs aufgegeben", sagt der einstige Geschäftsführer Christian Winkler. "Nach dem Unfall waren wir in einem Schockzustand, es war grauenhaft. Ich konnte die Leistung nicht erbringen und kündigte." Seine Frau Susanne war Hospiz-Krankenschwester: "Ich habe den Job geliebt und nach dem Unfall zwei Jahre lang versucht, nicht aufzugeben. Aber zehn Stunden am Tag mit dem Sterben konfrontiert zu sein: Das war zu viel."
Der heute 21-jährige Nico, der sein Bein verlor, hat mehrere Operationen und Jahre mit starken Schmerzen hinter sich. "Ich habe bis zu 15 Tabletten am Tag gebraucht", erzählt er. Eine der Nebenwirkungen der Medikamente war bleierne Müdigkeit, dennoch meisterte er die Matura.
Ausbildung der Kinder
Finanziell über die Runden zu kommen sei jedoch nicht einfach, auch die Ausbildung der Kinder koste Geld, klagen die Eltern: Elisa und Jonathan gehen zur Schule, Bernhard und Nico studieren. Nico träumt zudem von einer Karriere als Musiker, derzeit ist er in der Formation Munchie Squad aktiv: "Wegen der Prothese bin ich weniger mobil als andere, ich kann nicht jeden Job machen", erzählt er. "Aber Komponieren im Studio ist zum Beispiel kein Problem."
Um wieder eine gewisse finanzielle Sicherheit zu erlangen, klagte die Familie im Rahmen eines Zivilprozesses Schmerzensgeld ein: 135.000 Euro für den Verlust des Sohnes Tobias, plus 120.000 Euro für die Invalidität von Nico. Der Prozess startete 2010 – seitdem folgte Verhandlung um Verhandlung und Gutachten um Gutachten. Die zuständige Versicherung Allianz Kroatien habe laut Christian Winkler bisher bloß "einen Bruchteil" gezahlt.
"In einem Strafprozess wurde der Lenker des Motorbootes für schuldig befunden und zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Auch seine Berufung wurde abgelehnt", erzählt der Familienvater. Im Zivilprozess um das Geld jedoch stehe Aussage gegen Aussage: Da werde den Kindern eine 50-prozentige Schuld an dem Unfall zugeschrieben – was Winkler bestreitet: "Das Boot war zu schnell. Auch das Schwimmen war in diesem Bereich nicht verboten. Dort waren viele Badegäste mit Schnorcheln oder Luftmatratzen."
Sobald die Rede auf den Prozess kommt, wird Sohn Nico emotional: "Jeden Tag ärgere ich mich. Ich möchte endlich ein normales Leben leben." Seine Mutter wirkt erschöpft: "Der jahrelange Kampf zermürbt. Manchmal dachte ich, ich kann nicht mehr." Ihr Mann mutmaßt: "Die Versicherung hofft wohl, dass wir aufgeben." Daran denke die Familie aber nicht: "Wir wollen Gerechtigkeit und einen Schlussstrich."
Die Allianz Zagreb weist die Vorwürfe jedoch zurück: Man hoffe ebenso auf ein rasches Urteil. Eine Sprecherin betont, man bedaure den furchtbaren Verlust der Familie sehr. Bereits vor drei Jahren habe man eine Entschädigungssumme bezahlt. Dies bestätigt die Familie Winkler – allerdings habe es sich eben nur um einen Teil der geforderten Summe gehandelt.
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