Wurstdiplomatie von Stocker und Söder: Alles hat ein Ende, nur der Transitstreit hat keins

++ THEMENBILD ++ TIROL: LUEGBRÜCKE / BRENNERAUTOBAHN (A13)
Österreich und Bayern wollen den Brenner-Verkehr zumindest managen. Deutschland und Italien forcieren aber freie Fahrt durch Tirol.

Markus Söder isst. Und das vornehmlich Fleisch. Zumindest inszeniert sich der bayerische Ministerpräsident (CSU) so gerne in seinen Social-Media-Accounts. Der Politiker mit Hang zum Populismus will so wohl Volksnähe und Widerstandsgeist gegen vermeintlich drohende Fleischverbote signalisieren. 

Und so durfte bei einem Arbeitstreffen des 58-Jährigen am Donnerstag mit Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) auch ein gemeinsamer Besuch eines Wiener Würstelstands nicht fehlen. Auf der Sachebene ging es einmal mehr um den Lkw-Verkehr zwischen Deutschland und Italien durch Tirol, der das Bundesland an der Brenner-Achse regelrecht überrollt.

Ärger hinter der Grenze

Die Gegenmaßnahmen reichen von diversen Lkw-Fahrverboten bis hin zu Blockabfertigungen der Sattelschlepper an der Tiroler Grenze zu Bayern, die auf deutscher Seite regelmäßig lange Staus verursachen und Söder entsprechend auf die Palme bringen.

Markus Söder mit Wurst. Im Hintergrund Christian Stocker mit Wurst.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) übten sich in Wien in „Wurst-Diplomatie“

Nun haben Söder und Stocker vereinbart, einen neuen Vorstoß für ein digitales Slot-System mit buchbaren Lkw-Fahrten auf der Tiroler Inntal- und Brennerautobahn unternehmen zu wollen. Das würde den Transitverkehr wohl kaum reduzieren, sondern bestenfalls managen, aber möglicherweise zumindest Staus verhindern. 

Auf ein solches System hatten sich der bayerische Ministerpräsident und seine Amtskollegen in Tirol, Anton Mattle (ÖVP), und Südtirol, Arno Kompatscher (SVP), allerdings bereits 2023 in der Tiroler Grenzstadt Kufstein bei einem „Alpengipfel“ verständigt. Einigen müssen sich darauf aber letztlich die Nationalstaaten.

Ein neuer Verbündeter in Berlin?

In Deutschland war das Interesse an dem Vorschlag unter einer Dreier-Koalition aus SPD, Grünen und FDP  jedoch nicht vorhanden. Beim neuen deutschen CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz – einem Parteifreund von Söder – soll Stocker bei seinem unlängst absolvierten Berlin-Besuch jedoch wieder für das Slot-System geworben haben. 

„Wir brauchen für diese Lösung auch Italien“, strich Österreichs Bundeskanzler am Donnerstag hervor. Südlich des Brenners wurde ein derartiges Verkehrsmanagementsystem bisher kategorisch abgelehnt. Am Dienstag trifft Stocker Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni in Rom und will dabei für die Idee werben. 

Ob die für das Slot-System begeistert werden kann, ist fraglich. Immerhin hat ihre Regierung auf Bestreben von Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt, um so die Tiroler Anti-Transit-Maßnahmen vollständig zu Fall zu bringen. 

Ein enger Korridor

Rund 380 Kilometer lang ist der Autobahnkorridor zwischen Rosenheim in Deutschland und Verona in Italien. Auf ihrem Weg über den Brenner und somit die Alpen wälzen sich die Schwerfahrzeuge durch das Inntal, über den Pass geht es auf italienischer und österreichischer Seite durch das enge Wipptal. 

Die Strecke ist die zentrale Verbindung zwischen dem Norden Europas und Italien. Hier rollen Massen an Autofahrern auf ihrem Weg an den Gardasee oder die Adria durch Tirol. Und aufgrund der wesentlich höheren Maut in der Schweiz ist der Brenner auch der meistbefahrene Alpenpass im Schwerverkehr.

Bei allen Versuchen Tirols, das Ausmaß der Belastung für die eigene Bevölkerung irgendwie in den Griff zu bekommen, wurden über die Jahre hinweg dennoch immer neue Höchstwerte auf der Brennerautobahn (A13) verzeichnet. Im Rekordjahr 2023 zählte man 14,4 Millionen Fahrzeuge – 2,4 Millionen davon waren Sattelschlepper.

Dass mit der Luegbrücke ein zentrales Teilstück der A13 aufgrund ihrer Baufälligkeit nur mehr eingeschränkt befahrbar ist, verschärft die Situation. Italien und Deutschland pochen auf das EU-Recht des freien Warenverkehrs. Beide Länder haben zuletzt wieder Druck ausgeübt, um das Nachtfahrverbot zu Fall zu bringen. 

Interessenkonflikt

Das unterstützt auch Söder, der zudem mit der Klage Italiens gegen Österreich sympathisiert. Lkw-Nachtfahrten würden zwar die Kapazitäten  auf der Strecke erhöhen, Menschen entlang der Route aber auch den Schlaf rauben. Für Mattle ist das keine Option

„Das steht nicht zur Diskussion“, lautet seine Haltung. Er kann sich vielmehr ein Gesetz vorstellen, das bei entsprechender Lärmbelästigung Grundlage für Verkehrsbeschränkungen sein kann. Die Interessen der Verkehrskontrahenten bleiben also widersprüchlich.

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