Transitstreit: Friedenssignale vom „Alpengipfel“

Markus Söder (CSU), Anton Mattle (ÖVP) und Arno Kompatscher (SVP) inszenierten sich in Kufstein als Allianz
Landeschefs von Tirol und Südtirol haben sich mit Bayerns Ministerpräsident auf Lkw-"Slotsystem" für Brenner-Route geeinigt.

Jahrelang haben Tirol und Bayern über den massiven Lkw-Verkehr auf der Brenner-Route gestritten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ritt immer wieder Attacken gegenüber dem Nachbarland und dessen Versuchen, die Blechlawine einzudämmen. Diesseits der Grenze war Tirols nunmehriger Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) nie um Konter verlegen.

An der Seite von dessen Nachfolger Anton Mattle und Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) gab sich Söder bei einem von ihm als „Alpengipfel“ zum Lkw-Verkehr durch die drei Länder bezeichneten Treffens auf der Festung Kufstein in Sichtweite der Grenze zu Bayern am Mittwoch lösungsorientiert.

„Wir hatten einige Jahre Funkstille. Jetzt senden wir wieder gemeinsam“, so Söder, der gleich auch Botschaft und Adressaten nannte: „Berlin, Wien und Rom – wir sind uns einig.“

Transitstreit: Friedenssignale vom „Alpengipfel“

Und zwar hat sich das Drei-Regionen-Trio auf eine Absichtserklärung für die Schaffung eines gemeinsamen Lkw-„Slot-Systems“ für den Brenner-Korridor zwischen Rosenheim und Verona verständigt. „Das soll eine Art buchbare Autobahn werden“, so Bayerns Ministerpräsident.

Nur eine Entzerrung

Aus Sicht von Mattle ist die Einigung „wegweisend“ für die Zukunft. Das angepeilte Verkehrsmanagementsystem solle dazu führen, dass sich keine Staus bilden und „der Verkehr entzerrt wird.“ Es ist vorerst keine Rede davon, dass die Zahl der Lkw über den Alpenpass zwischen Österreich und Italien, die im Vorjahr mit rund 2,5 Millionen Fahrzeugen einen neuen Rekord erreicht hatte, beschränkt werden soll.

Vorerst ist die Idee, dass Frächter - kostenlos - Termine für die Durchfahrt buchen können. Sind wegen Kapazitätsüberlastung auf der Brenner-Strecke keine mehr verfügbar, müssen sie mit ihren Lkw auf einen anderen Slot ausweichen.

Transitstreit: Friedenssignale vom „Alpengipfel“

Rund 380 Kilometer lang ist der Autobahnkorridor zwischen Rosenheim in Deutschland und Verona in Italien. Auf ihrem Weg über den Brenner und somit die Alpen wälzen sich die Schwerfahrzeuge durch das bayerische und das Tiroler Inntal, über den Pass geht es auf italienischer und österreichischer Seite durch das enge Wipptal.

In diesen schmalen Trichtern ist der stetig zunehmende Güterverkehr auf der Straße längst zu einer massiven Belastung für die Bevölkerung geworden. Für Bayerns Ministerpräsident ist der Brennpunkt in seinem Einflussbereich nur eine Problemzone in einem deutschen Bundesland mit annähernd der Fläche von Österreich.

Aber der machtbewusste Politiker hat im Herbst Landtagswahlen zu schlagen. Und da kann er den Ärger der lokalen Bevölkerung im Inntal nicht gebrauchen.

Transitstreit: Friedenssignale vom „Alpengipfel“

Bei aller am Mittwoch in Kufstein präsentierten Einigikeit: Söder machte kein Hehl daraus, dass er die von Tirol zur Drosselung des Zustroms von Schwerfahrzeugen eingesetzten Lkw-Blockabfertigungen weiterhin für EU-rechtswidrig hält. Es sind die dadurch auf bayerischer Seite bei Kufstein produzierten Staus, die den CSU-Chef immer wieder erzürnt haben.

"Brenner steht vor dem Kollaps"

Er gestand aber zumindest ein: „Wir spüren, dass der Brenner Entlastung braucht. Der Brenner steht vor dem Kollaps.“ Ein „grenzüberschreitendes intelligentes Lkw-Leitsystem“ stand freilich schon auf einem Zehn-Punkte-Plan, auf den sich Deutschland, Österreich sowie Tirol und Bayern 2019 verständigt hatten.

Transitstreit: Friedenssignale vom „Alpengipfel“

Mit Andreas Scheuer stellte die CSU damals noch – wie in den zwölf Jahren davor – den Verkehrsminister in Berlin.

Inzwischen heißt der Volker Wissing und kommt von der FDP. Der zeigte sich gegenüber dem Vorschlag vom „Alpengipfel“ am Mittwoch reserviert. "Systeme, die die Blockabfertigung mittels Digitalisierung fortsetzen, ändern am Grundsatz einer Kontingentierung nichts", hieß es aus seinem Ministerium.

Ohne einen Vertrag zwischen Deutschland, Italien und Österreich gibt es aber kein Slot-System.

Verantwortung verlagert

Für diesen Fall meinte Söder schon mal vorsorglich: „Dann ist die Verantwortung nicht mehr bei uns.“ Und warum hat er sich nicht schon für diese Idee starkgemacht, als die CSU noch den Verkehrsminister stellte?

Dafür macht Söder den Streit der vergangenen Jahre mit Tirol und – ohne ihn zu nennen – Platter verantwortlich: Man könne „funken, aber wenn der Apparat ausgeschaltet ist, bringt das nichts.“

Was die Tiroler Lkw-Blockabfertigunge betrifft, zeigte Südtirols Landeshauptmann Kompatscher zwar Verständnis für diese Maßnahme. Er blieb aber bei der italienischen Position, dass diese Dosierungen EU-rechtswidrig sind. Doch nun gelte es, sich zusammenzusetzen und eine „moderne, innovative Lösung“ anzustreben.

Transitstreit: Friedenssignale vom „Alpengipfel“

Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) – der eine Zustimmung an die Rücknahme von Tirols Lkw-Fahreinschränkungen geknüpft und zuletzt wiederholt ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gefordert hatte – habe stets seine Gesprächsbereitschaft gezeigt.

In Österreich hingegen muss das Alpen-Trio keine große Überzeugungsarbeit für die Idee leisten. Von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) kam Unterstützung für ein Lkw-Slot-System am Brenner, um den Transit durch Tirol zu reduzieren.

„Viele Jahre war die Diskussion, wir brauchen einen Vorschlag aus der Region“, nun liege dieser vor, sagte sie am Mittwoch vor dem Ministerrat.

Das Alpengipfel-Triumvirat baut aber nicht zuletzt auch auf Vermittlung der EU-Kommission. Kompatscher wünscht sich von ihr "eine aktive Vermittlerrolle". Von der Kommission habe es immer den Wunsch von einer Lösung gegeben, so Söder: "Jetzt kann keiner mehr sagen, wir streiten uns."

Die drei Regionen wollen nun gemeinsam an dem Modell feilen und offene Fragen klären. Die da unter anderem wären: Wie viele Slots - also Fahrten über die Brenner-Route - soll es geben? Was wenn das Kontingent ausgeschöpft ist?

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) hofft, "dass wir im Spätherbs etwas vorlegen können." Und auch er betont noch einmal: "Wir sind natürlich auf unsere Nationalstaaten angewiesen."

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