Einzigartiger Fall in Graz: Das Geräusch im Ohr war lebende Ameise
"Ein bisschen skurril war das für uns schon“, erinnert sich HNO-Facharzt Peter Kiss, der eingesteht, seiner Patientin erst nicht so wirklich geglaubt zu haben: Die 42-Jährige klagte in der Ambulanz der HNO-Uniklinik in Graz über seltsame Geräusche im linken Ohr. Ähnlich wie Tinnitus seien sie, also dauerndem Ohrenklingeln – und meinte, das könne nur von einem Insekt stammen.
Die Mediziner griffen zu einem Ohrenmikroskop und staunten: "Wir haben im Mittelohr einen Schatten gesehen, der sich bewegt", schildert Kiss.
Der Schatten entpuppte sich später als Ameise mit knapp fünf Millimeter Länge im Mittelohr der Patientin – eine lebendige.
Das Insekt muss bereits einige Tage zuvor in den Gehörgang der Steirerin gekrochen sein, vermutlich bei der Gartenarbeit, wie die Frau den Ärzten gegenüber später beschrieb. Denn seither summte es wie bei Tinnitus, außerdem versicherte die Patientin, die Bewegungen der Ameise auch zu spüren.
Einzigartiger Fall
"Das hat man auch nicht alle Tage, definitiv nicht“, merkt der Facharzt an. Um ihn herrscht am Freitag gehöriger Medienrummel, nachdem sein Bericht über den außergewöhnlichen Fall in einer englischsprachigen Fachzeitschrift (Diagnostics) publiziert und via Austria Presse Agentur einer breiteren Öffentlichkeit näher gebracht wurde
Passiert ist das alles aber bereits vor eineinhalb Jahren, doch der Artikel kam erst heuer im Oktober ins Fachmagazin. "Man muss das schon als einzigartig sehen“, betont Kiss, "deshalb wurde es ja in der Fachzeitschrift veröffentlicht. Wissenschaftlichen Wert hat das zwar eher nicht, aber man kann daraus lernen und sagen, es gibt nichts, was es nicht gibt.“
Zumal der Grazer Fall auch weltweit ein Unikum zu sein scheint, jedenfalls tauchte in der bisherigen wissenschaftlicher Literatur kein Fall einer ausgewachsenen, lebendigen Ameise im Mittelohr eines Menschen auf. Es gab nur einige wenige Erwähnungen von Fliegenlarven
Wie kam die Ameise dort hin?
Aber wie kam die Ameise bloß ins Mittelohr, das eigentlich ein geschlossenes System ist? "Durch ein Loch in der Membran“, erläutert Kiss. "Bei einem kerngesunden Menschen kann das nicht passieren, aber die Patientin hatte leider ein Loch im Trommelfell.“ Gefahr, dass die Ameise in andere Körperregionen weiterkrabbeln könnte, bestand nicht, beruhigt Kiss.
Insekten aus dem Gehörgang von Menschen zu entfernen ist nichts Ungewöhnliche für HNO-Ärzte, sie holen immer wieder mal Spinnen, Bienen oder Wespen aus Ohren. Doch dass sich eine lebendige Ameise im Mittelohr breitmacht, ließ aber selbst die Mediziner in Graz perplex zurück. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passieren kann, sei nämlich "extrem gering", sagt Kiss.
Zunächst versuchte das Team auf der HNO-Klinik, das Insekt unter örtlicher Betäubung herauszuholen, doch das klappte nicht. Also musste unter Vollnarkose operiert und ein endoskopischer Eingriff durchgeführt werden, das Insekt wurde schließlich ohne Komplikationen entfernt.
Eingriff verlief gut
Der Eingriff verlief gut, bereits am nächsten Tag durfte die Patientin wieder nach Hause gehen. "Sie war über die Ameise selbst ein bisschen schockiert“, erinnert sich Peter Kiss an die Reaktion der 42-Jährigen.
Die Journalistenfrage, die bei so einem Fall kommen muss, nimmt der Arzt gelassen hin: "Die Ameise hat die Operation nicht überlebt“, kommentiert Kiss.
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