Sie waren auf der Suche nach einer Mitbewohnerin von Sarah. Zu fünft wohnen die Frauen in einer Wohngemeinschaft in Graz. "Wir mussten uns halbnackt im Wohnzimmer aufstellen, während sie die Wohnung durchsuchten. Es war sehr entwürdigend", so Sarah.
Ihre Mitbewohnerin ist eine von sieben Beschuldigten, gegen die die Staatsanwaltschaft seit Ende Jänner ermittelt.
Ausgangspunkt der Causa war der Akademikerball: Ein Aktivist hatte einem FPÖ-Politiker auf dem Heimweg die Burschenschaftskappe vom Kopf gerissen. Der Politiker stürzte und brach sich mehrere Rippen. Die Ermittler gehen davon aus, dass dies durch einen Schlag oder Tritt passiert ist.
Suche per EU-Haftbefehl
Aus diesem Grund ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen schweren Raubes gegen den jungen Mann. Aber nicht nur gegen ihn, sondern mehrere Aktivisten, die sich in der näheren Umgebung aufgehalten haben sollen.
"Derzeit werden sieben Personen als Beschuldigte geführt. Diese stehen im Verdacht des schweren Raubes bzw. ebenfalls des Beitrages dazu", heißt es von der Staatsanwaltschaft Graz.
Laut der Behörde fanden fünf Hausdurchsuchungen statt. Zwei der Beschuldigten, die während der Hausdurchsuchung nicht anwesend waren, wurden gar per internationalem Haftbefehl gesucht. Drei der Beschuldigten droht auch die Abschiebung nach Deutschland.
Der Mann, der beschuldigt wird, dem FPÖ-Politiker die Kappe heruntergerissen zu haben, sitzt seit Anfang März in Untersuchungshaft. Eine zweite Aktivistin wurde mittlerweile aus der U-Haft entlassen, teilte die Staatsanwaltschaft Graz mit.
Für Florian Dablander, Anwalt von fünf der sieben Beschuldigten, ist die Vorgangsweise der Behörden völlig unverhältnismäßig. "Im Video einer Überwachungskamera erkennt man, dass dem Burschenschafter die Kappe ohne Gewalt heruntergerissen wurde. Ein Tritt ist nicht zu sehen und auch nicht mit den Verletzungen in Einklang zu bringen.“
Außerdem seien auf dem Video nur zwei Personen zu sehen. "Alle anderen, die als Beschuldigte geführt werden, sieht man nur in der Nähe in öffentlichen Kameras. Es ist schon weit hergeholt, ihnen dann Beitragstäterschaft vorzuwerfen", betont der Jurist.
Er kritisiert zudem, dass wegen schweren Raubes ermittelt wird. Durch diesen Vorwurf stehen den Ermittlern nämlich umfassende Maßnahmen zur Verfügung. Bei schwerem Raub beträgt der Strafrahmen zudem auch bis zu 15 Jahre Haft.
Auch das "Konstrukt der kriminellen Vereinigung" – das von der Staatsanwaltschaft ebenso beleuchtet wird – weist Dablander zurück. "Die Personen kennen sich nur lose, von einer kollektiven Handlungsabsicht kann keine Rede sein."
In der Causa also Hausdurchführungen durchzuführen und Personen mittels EU-Haftbefehl zu suchen – die sich laut Anwalt teils einfach nur im Skiurlaub befunden hatten und sich danach selbst bei der Polizei gemeldet hatten – sei skandalös. "Die Amtshandlungen wurden im Sinne der geltenden Gesetze und Bestimmungen durchgeführt“, heißt es von der Landespolizeidirektion Steiermark.
Anders sieht das Sarah*, die Mitbewohnerin einer Beschuldigten. "Geht es um die Kappe oder die Kriminalisierung der linken Szene? Mit diesen Maßnahmen will man ein Klima der Angst erzeugen", sagt die 27-Jährige. Sie werde aber weiterhin zu Demos gehen, betont sie. Was ihr von der Nacht aber bleibt, sind Albträume.
* Name von der Redaktion geändert
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