Privat-Agentin hatte Salzburger Industriellen im Visier

Die deutsche Privatagentin hat Wien zu ihrer geschäftlichen Drehscheibe gemacht
Gegen die Ex-Stasi-Mitarbeiterin Christine W. und einen deutschen Kommissar liegt eine Bestechungsanklage vor. Die Vorwürfe betreffen fünf dubiose Beratungsaufträge aus Österreich.

In der mutmaßlichen Bestechungsaffäre um die deutschen "Privat-Agentin" Christine W. liegt mittlerweile eine pikante Anklage der Staatsanwaltschaft Schwerin vor. Aufgeflogen ist der Skandal, weil die angebliche Ex-Stasi-Mitarbeiterin (Deckname "Chris", "Johanna", "Nina")*** auch für einen engsten Vertrauten des in Wien gestrandeten ukrainischen Oligarchen Dmitry Firtasch tätig war.

Doch für den Fall Firtasch und in weiteren vier Fällen soll "Nina" dem deutschen Kriminalhauptkommissar Heinz-Peter H. zumindest 331.000 Euro bezahlt haben. Er soll dazu die Polizei-Datenbanken illegal angezapft haben. Die Anklagevorwurf lautet: Ausspähen von Daten und Betrug zum Nachteil des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern" sowie Verletzung der Dienstgeheimnisses und der Dienstpflichten. Der Frau des Kommissars Beihilfe zur Bestechlichkeit vorgeworfen. Dazu kommt noch der Vorwurf der Einkommenssteuerhinterziehung gegen das Ehepaar. Laut Anklage soll es "die empfangenen Schmier- bzw. Bestechungsgelder" in seinen Steuererklärungen nicht angeführt haben.

Die Schnüfflerin soll Heinz-Peter H. unter anderem zur Verletzung seiner Dienstpflichten angestiftet und dafür einen (finanziellen) Vorteil gewährt haben. "Meine Mandantin hat den geschäftlichen Kontakt mit Heinz-Peter H. und die Zahlungen an ihn nie bestritten", sagt ihr Anwalt Christian Stünkel zum KURIER. "Sie bestreitet aber, ihn zu Straftaten angestiftet zu haben. Er hatte bei ihr den Eindruck erweckt, dass er einer genehmigten Nebentätigkeit nachgeht." Der Anwalt des Polizisten, der Schweriner Anwalt Ullrich Knye, wollte keine Stellungnahme abgeben. Die Frau des Kommissars bestreitet alle Vorwürfe. Detail am Rande: Seiner Frau soll Heinz-Peter H. seine "Geschäftspartnerin" Nina als " Verbindungsperson zum deutschen Auslandsgeheimdienst BND" vorgestellt haben.

"Projekt Scout"

Brisant ist diese 40 Seiten starke Anklage der Staatsanwaltschaft Schwerin deshalb, weil es hier um fünf dubiose Beratungsaufträge aus Österreich geht. Laut Anklage soll "Nina" 2008 von der rumänischen Petrom, einer Tochter des österreichischen Mineralölkonzerns OMV, den Auftrag erhalten haben, Diebstähle von Rohöl bzw. Kraftstoffen aufzuklären.

Die Bezahlung für dieses Projekt mit der Bezeichnung "Scout" wurde, wie Recherchen des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel und des KURIER ergaben, über eine Wiener Anwaltskanzlei abgewickelt. Zugleich sollte bei der Petrom "das Sicherheitswesen neu strukturiert werden". Diese Aufgabe soll Kommissar H. übernommen haben. "Nina" soll ihm dafür ab Juni 2008 monatlich 8000 Euro auf die Hand gezahlt haben, ab September 2010 nur noch 5000 Euro pro Monat. Der Grund: Die von H. "gelieferten Arbeitsergebnisse" sollen den Erwartungen der Auftraggeber nicht entsprochen haben. Unterm Strich soll er insgesamt 265.000 Euro an der Steuer vorbei kassiert haben. Fakt ist: In der Anklage gibt es keinen Hinweis, dass die Firmen, die "Nina" benutzten, irgendetwas von den mutmaßlichen illegalen Machenschaften der Privat-Schnüfflerin wussten.

"Projekt Centurion"

Im Jänner 2015 soll die Berlinerin von der Wiener Firma Aventus des Ex-Bundesheer-Brigadiers Gerald Karner beauftragt worden sein, "die Entwicklung beim Wiener Erdölförder-Spezialisten C.A.T. Oil aufzuklären". Deckname: Projekt Centurion. Die börsennotierte C.A.T. Oil, die heute unter dem Namen Petro Welt Technologies AG firmiert, ist vor allem für die russischen Konzerne Gazprom, Lukoil und Rosneft tätig. "Nina" sollte Informationen über C.A.T-Mitgründerin Anna Brinkmann, deren Sohn und deren Lebensgefährten auftreiben. Der Kommissar soll dafür die Polizeidatenbanken abgefragt haben.

Brinkmann schied fünf Tage nach dieser Auftragserteilung offiziell als Aktionärin und Managerin von C.A.T. Oil aus. Grund war ein heftiger Streit mit Co-Aktionären. Der Polizist soll für den "besonderen Assistenzeinsatz" mindestens 3000 Euro eingestreift haben.

"Projekt Expansion Deutschland"

Der dritte Fall in der Anklage betrifft einen Auftrag des Wiener Unternehmensberaters und Ex-Casinos-Austria-Managers Karl V. Die deutsche "Agentin" sollte Informationen über Reinhard B., Miteigentümer einer deutschen Hotelkette und drei Hotel-Managerinnen beschaffen. B. soll mehrere Hotels an eine österreichische Hotelkette verkauft haben. Dafür soll ihm aber die Genehmigung der Aktionäre gefehlt haben. Ein Aktionär klagte. Für 12.000 Euro Cash soll der Kommissar die deutschen Polizei-Computer nach brauchbaren Angaben zu den vier Personen durchforstet haben – offenbar vergeblich.

"Projekt Eneos"

Der vierte Anklagepunkt betrifft den schwerreichen Salzburger Spanplatten-Industriellen Peter Kaindl und seinen Konzern Kronospan/Kronotec/Kronoinvest. Der Wiener Sicherheitsberater Robert B. soll "Nina" im April 2015 im Rahmen des Projekts "Eneos" beauftragt haben, Informationen über Peter Kaindl und sein Netzwerk im ehemaligen Ostblock und über dessen Verbindungen zu postkommunistischen Regierungen zu beschaffen. Kronospan hat im Juni 2014 die Raiffeisen Bank Malta erworben und in ECCM Bank umbenannt. Der Kommissar lieferte mehrere Berichte über Kaindl und Kronospan. Einen unter dem Titel " Der Finanzierungsstrang im Unternehmensgeflecht der Kronospan". Dafür soll der LKA-Beamte 15.300 Euro von Christine W. erhalten haben.

"Projekt New Energy"

Im fünften Fall geht es um den ukrainischen Oligarchen Dimitry Firtasch. Zusammen mit dem Wiener Sicherheitsberater Robert B. soll Christine W. für einen Vertrauten des Oligarchen gearbeitet haben. Firtasch war aufgrund eines US-Haftbefehls Mitte März 2014 in Österreich festgenommen worden. Er kam gegen 125 Millionen Euro Kaution frei. Laut Anklage hatten sich die Schnüfflerin und der Kommissar angeboten, bei der Aufhebung des Haftbefehls behilflich zu sein. Tatsächlich erstellte "Nina" Dossiers über Firtasch und die Lage in der Ukraine und Russland. Indes versuchte der Kommissar, vom deutschen Geheimdienst BND Informationen über Firtasch zu erhalten – ohne Erfolg. "Nina" kassierte letztendlich insgesamt 420.000 Euro. Wie viel der Kommissar erhielt, geht aus der Anklage nicht ganz klar hervor. Die Staatsanwaltschaft Schwerin führt zum Teil unterschiedliche Beträge an. Der Kriminalhauptkommissar will laut eigenen Ausgaben letztlich nur 250.000 bis 275.000 Euro erhalten haben. Er bestreitet indes, dass er vom Firtasch-Berater Robert B. eine zusätzliche Zahlung über 26.000 Euro lukriert hat.

*** Laut Anklage soll Christine W. ab 1984 neben Ihren journalistischen Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR, Hauptabteilung II/Abteilung 13 als Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereiches (IMS) tätig gewesen sein. IMS waren laut Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Inoffizieller_Mitarbeiter) in sicherheitsrelevanten Bereichen (Betrieben, Einrichtungen, Forschungs- und Bildungsstätten, staatliche Institutionen) beschäftigte Personen, die ohne besonderen Anlass über das Verhalten von Personen berichtet haben sollen. Sie sollten Verdachtsmomente frühzeitig erkennen, vorbeugend und schadensverhütend wirken und wesentliche Beiträge zur Gewährleistung der inneren Sicherheit in ihrem Verantwortungsbereich leisten.

"Ninas" Tätigkleit für das MfS soll laut Anklage darin bestanden haben, "westliche Journalisten, die sich zu verschiedenen Anlässen in der damaligen DDR aufhielten, zu bespitzeln."

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