Zu viele Touristen: Hallstatt zieht Notbremse

Zu viele Touristen: Hallstatt zieht Notbremse
Die Gemeinde im Salzkammergut will weniger Besucher: Ein neues Verkehrskonzept soll dabei helfen.

Hallstatt is no museum“, steht auf der Hinweistafel am Garagentor. Am Geländer auf der anderen Straßenseite ist die Aufschrift „Point of Silence“ angebracht. Ruhig ist es hier aber selbst an diesem Mittwochvormittag nicht: Zahlreiche Besucher rekeln sich mit ihren Selfie-Sticks in der Hand, um Erinnerungsfotos zu machen mit der malerischen Kulisse im Hintergrund – dem See, der Berglandschaft und dem Ort mit seinen beiden Kirchen.

Die Bewohner der Gemeinde im oberösterreichischen Salzkammergut fordern Rücksicht von den vielen Touristen. Eindringlinge in den Gärten, unerlaubte Drohnenflüge und liegengelassener Müll: Der Massentourismus habe am Hallstätter See mittlerweile ein unerträgliches Maß erreicht. Das sagen zumindest Siegrid Brader, Friedrich Idam und Renate Streit-Maier beim KURIER-Lokalaugenschein. Die drei Hallstätter sind kommunalpolitische Quereinsteiger. 2015 sind sie mit ihrer Liste „Bürger für Hallstatt“ auf Anhieb in den Gemeinderat eingezogen.

„Unser Slogan war: ,Tourismus mit Maß und Ziel‘“, sagt Friedrich Idam. Damit haben sie offenbar einen Nerv getroffen: Knapp 30 Prozent der Stimmen erhielt ihre Liste bei der Wahl. „Unser Ziel ist, dass der Ort wieder lebenswert wird“, meinen die drei Einheimischen. Seit Kurzem habe man dafür einen Wochenmarkt auf die Beine gestellt. Etwas außerhalb des Zentrums, wo die Bewohner unter sich bleiben können.

Feindbild Busgruppen

„Es leidet das ganze Ortsleben unter dem Tourismus“, meint Siegrid Brader. Als Problem sehen sie und ihre Mitstreiter nicht die Nächtigungsgäste, sondern die unzähligen Gruppen, die in Bussen anreisen, kurz den Ort besichtigen und wieder abreisen. „Der Stundentourismus vertreibt den Gast, der länger bleiben würde“, meint Brader.

Mit ihrer Kritik sind die „Bürger für Hallstatt“ längst nicht allein. Von einer „Katastrophe“ berichtet eine Frau, die an einem Souvenirstand arbeitet und laut eigenen Angaben selbst in der Seestraße wohnt – dort wälzen sich die zahlreichen Reisegruppen vom Busterminal ins Ortszentrum hindurch.

In Hallstatt ist der Massentourismus schon seit Jahren alltäglich. Spätestens seit 2011 publik wurde, dass in China eine Kopie errichtet wird, ächzen viele Bewohner der 770-Seelen-Gemeinde unter einem regelrechten Ansturm von Touristen, vor allem aus Asien. Das spiegelt sich auch in einer Reisebus-Statistik in Hallstatt wider (siehe Grafik): Parkten 2010 noch 3440 auf den bewirtschafteten Plätzen der Marktgemeinde, waren es im Vorjahr bereits 16.495. Schätzungen gehen von bis zu 900.000 Tagesgästen im Jahr aus.

Bürgerbeteiligung

Nun dürfte im Ort die Schmerzgrenze endgültig überschritten worden sein: Der Besucherandrang soll künftig reguliert werden. Ziel ist es, in den kommenden Monaten mithilfe von Experten und unter breiter Beteiligung der Bevölkerung ein Verkehrskonzept zu erarbeiten. Ein System, wie es kürzlich in der Stadt Salzburg eingeführt wurde, ist dabei denkbar: Dort müssen Reisebusse vorab Tickets lösen, die zur Zufahrt innerhalb einer bestimmten Zeitspanne berechtigen.

Monika Wenger-Petereder begrüßt den Vorstoß der Gemeinde. Die Betreiberin des Hotels Grüner Baum hält eine Reduktion der Tagesgäste im Ort für sinnvoll. Geht es nach ihr, sollen Bustouristen den Ort vermehrt auf Booten vom Wasser aus besichtigen. Generell sieht sie aber „keine negative Grundstimmung“ in der Bevölkerung. „Mir geht in dieser Diskussion immer die positive Seite des Tourismus ab.“ Immerhin verdiene die Gemeinde gut damit. „Der Tourismus ist notwendig, weil es keine andere Einnahmequelle gibt“, meint Wenger-Petereder.

„Nicht wie in Barcelona“

Für Bürgermeister Alexander Scheutz (SPÖ) ist offen, wie die Touristenströme letztlich begrenzt werden. Ihm sei nur wichtig, dass Besucher weiterhin gerne gesehen werden und sich wohl fühlen. „Ich will nicht haben, dass es uns so geht wie in Barcelona, wo Leute ,Tourist go home‘ auf die Straße sprühen. Das darf nicht sein.“ Drehkreuze wie in Venedig oder einen kostenpflichtigen Eintritt lehnt der Bürgermeister unter Verweis auf bereits bestehende Toiletten- und Parkgebühren kategorisch ab. „Dann wären wir wirklich ein Museum“, sagt Scheutz.

Venedig als Vorreiter:Drehkreuze gegen den Ansturm


Venedig ist längst ein Sinnbild für den Massentourismus. Die Lagunenstadt ist seit Jahrzehnten wegen der hohen Frequenz an Touristen mit einer sinkenden Einwohnerzahl konfrontiert. Gleichzeitig kommen immer mehr Besucher in die Stadt. Im Fasching sind es bis zu 130.000 am Tag – bei 55.000 Einwohnern. Daher wurden zuletzt Drehkreuze getestet, um etwa den Zutritt zum Markusplatz zu regeln. Der Präsident der Region Venetien forderte sogar Eintrittsgebühren. „Eintagstouristen“ machen auch der kleinen Insel Capri in der Bucht von Neapel zu schaffen. Auch dort gibt es Pläne, den Zutritt für Touristen zu regulieren. Der Bürgermeister kündigte Ende April Tests wie in Venedig an.

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