Zäune und geschlossene Türen: Das bedrohte Partyleben in Innsbruck

Zäune und geschlossene Türen: Das bedrohte Partyleben in Innsbruck
Das Clubsterben geht weiter. Und der beliebteste Treffpunkt ohne Konsumzwang – das Sonnendeck – wird durch einen Zaun zerstört.

Mit Freunden auf einer Mauer sitzen, Füße und Seele baumeln lassen. Und dabei die Sonne im Gesicht. Auf einem 350 Meter langen Abschnitt der Innpromenade hinter der Innsbrucker Uni hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, wie wenig es eigentlich braucht, damit sich junge Stadtbewohner wohlfühlen.

Unter dem Titel Sonnendeck hat sich hier ein Treffpunkt ohne Konsumzwang etabliert. Mitunter kamen Hundertschaften, um auf der Innmauer abzuhängen. Die war den ganzen Sommer über gesperrt, nachdem ein Unbekannter eine Abdeckplatte des Bauwerks in den Inn gekippt hatte.

Sitzen unmöglich

Dass im Zuge der Sanierung auch eine Absturzsicherung errichtet werden sollte, ließ schon Böses erahnen. Inzwischen ist ein erster Abschnitt fertiggestellt. Ein unansehnlicher Metallzaun ragt dort nun aus der Mitte der Mauerkrone heraus. Sitzen – offiziell schon immer verboten – nun unmöglich.

Zäune und geschlossene Türen: Das bedrohte Partyleben in Innsbruck

Die Innmauer am Sonnendeck hinter der Uni hat sich zum beliebten Treffpunkt entwickelt

Die Stadt zahlt zwar mit, die Verantwortung liege aber bei der Bundeswasserbauverwaltung, heißt es. Mehrere Protagonisten der Jugendkulturszene und des Innsbrucker Nachtlebens überzeugt das nicht. Unter dem Titel „Reclaim your city“ rufen sie zu einer Protestveranstaltung am Sonnendeck am heutigen Dienstagabend (ab 18.30 Uhr).

Dass der Zaun aus Haftungsgründen unumgänglich ist, wie es von Behördenseite dargestellt wird, will Daniel Sailer nicht gelten lassen. Er hat das Sonnendeck gewissermaßen miterfunden.

„Wir haben vor zehn Jahren eine musikalische Lehrveranstaltung im Freien angemeldet, dafür einen Biertisch aufgestellt und aufgelegt“, erzählt der DJ von den Anfängen. Daraus hat sich eine lose Serie kostenloser Musikevents entwickelt – mit bis zu 3.000 Besuchern.

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Auf einem Abschnitt der Mauer an der Innpromenade wurde der neue Zaun bereits installiert.

„Die Sicherheit der Sonnendeck-Besucher ist uns natürlich wichtig“, sagt Sailer zu den Behördenargumenten für den Zaun. „Aber man darf schon auch ein bisschen an die Eigenverantwortung appellieren.“ Der 36-Jährige erhofft sich, dass das Absperrgitter zumindest so positioniert wird, dass man weiter auf der Mauer sitzen kann.

Schneise der Zerstörung

„So ist es uns auch eigentlich versprochen worden“, sagt er. Dass man nun stattdessen viel Geld ausgibt, „um diesen Ort zu verschandeln, ist widersinnig.“ Bei der Protestveranstaltung am Sonnendeck geht es aber um mehr. „Quer durch Innsbruck zieht sich eine Schneise der Zerstörung junger Kultur“, schreiben die Organisatoren.

Exemplarisch nennen sie den Hafen. Das Veranstaltungszentrum wurde 2019 abgerissen, weil die Grundbesitzer andere Pläne für das Areal hatten. Eine von der Politik versprochene Ersatzlösung ist nie gekommen.

Zwei Jahre zuvor gab es mit dem „Weekender“ ein weiteres prominentes Opfer in der Club- und Konzertszene, in der es immer dünner wird. Am vergangenen Samstag hat der „Dachsbau“ nach einer letzten Party für immer seine Pforten geschlossen.

Betreiber Frederik Lordick hat als Sprecher der Innsbruck Club Commission, die bei der Sonnendeck-Demo ebenfalls mit an Bord ist, schon in der Coronazeit immer wieder vor einem Betriebssterben gewarnt.

Zäune und geschlossene Türen: Das bedrohte Partyleben in Innsbruck

Der 2016 eröffnete "Dachsbau" hat am Samstag seine letzte Party erlebt

„Der After-Corona-Hype hat nur kurz gedauert. Dann ist die Teuerung gekommen“, erklärt er, zur wirtschaftlichen Entwicklung, die sich auf Besucherzahlen und Konsum ausgewirkt hat. „Das Hauptproblem ist, dass die Leute sich die Stadt nicht mehr leisten können“, sagt Lordick, der davon ausgeht, dass weitere Clubs abseits des Mainstreams in naher Zukunft aufgeben müssen.

Der schleichende Kahlschlag im Nachtleben einer Studentenstadt ist bedenklich. Denn ältere Semester wissen, wie trist Innsbruck noch Anfang der 1990er-Jahre war, als es nach ein Uhr kaum noch Möglichkeiten zum Ausgehen gab.

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