Wurzelbehandlung beim Zahnarzt ging ins Auge
"Die schöne neue Brille tun wir weg", sagte der Zahnarzt und legte sie zur Seite, "damit ihr nichts passiert." Um die Augen seiner Patientin hat er sich offenbar keine Sorgen gemacht.
Ein paar Spritzer
Seda S. holte ihren kleinen Sohn vom Kindergarten ab, fuhr nach Hause, bereitete noch das Mittagessen zu, der größere Sohn kam aus der Schule, "und dann bin ich schon gelegen. Mir war schwindlig, es hat voll gebrannt." Die Wurzelbehandlung war im wahrsten Sinn des Wortes ins Auge gegangen. Beim Bohren müssen kleine Partikel hineingelangt sein.
Die Augenärztin stellte eine Verätzung beider Augen und einen Hornhautriss im linken Auge fest, die Patientin bekam eine Verbandslinse. Zwei Wochen später musste Seda S. zur Nachbehandlung zum Zahnarzt. Der sagte nur: "Ja, das kann passieren". Seither geht die 38-Jährige nicht mehr zu ihm: "Er hätte sich nur entschuldigen brauchen", sagt sie: "Dann wäre alles okay gewesen."
Seda S. klagte den Zahnarzt und seine Versicherung auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Ihrer Rechtsanwältin Michaela Hütteneder-Estermann aus Bad Hofgastein gelang der Nachweis, dass die Wurzelbehandlung kausal für die Augenverletzung war. Doch das Risiko galt nicht als erheblich und es gibt keine verbindliche Norm, die einen Augenschutz für Patienten beim Bohren und Schleifen vorschreibt.
Bis zum Höchstgericht
Nur der Zahnarzt selbst trägt in der Regel eine Schutzbrille, an die Patienten wird dabei nicht gedacht. Der Fall wurde mit Revision bis vor den Obersten Gerichtshof gebracht. Auch das Höchstgericht wertete es jedoch als Überspannung des Maßstabes, würde man den Arzt zum Augenschutz verpflichten.
"Ich habe keinen einzigen Cent bekommen", sagt Seda S., die dank Rechtsschutzversicherung wenigstens nicht auf den Anwalts- und Gerichtskosten sitzen geblieben ist. Der Zahnarzt legt nun seinen Patienten bei Wurzelbehandlungen wenigstens ein Tuch über die Augen. "Das weiß ich von meiner Schwiegermutter, die nach wie vor zu dem Arzt geht", erzählt die 38-Jährige.
Kommentare