Den Besuchern geht es weder um die Rezepte der Teigwaren der Tiroler, noch um ihre Fertigungsstraße, sondern darum, wie die drei Großbacköfen beheizt werden. Das funktioniert zunächst einmal mit 30.000 Litern Wärmeöl in einem geschlossenen Kreislauf. Die Brenner, die dieses Öl auf Temperatur bringen, wurden bislang mit Gas betrieben. Neuerdings ist das mit Wasserstoff möglich, der noch dazu direkt vor Ort produziert wird.
An Putins Gashahn
Und das bedeutet: „Wenn Russland das Gas abdreht, könnten wir um einiges länger produzieren, als der Rest von Österreich“, so Mölk. In der jetzigen Situation sei das natürlich ein Glücksfall. „Aber wir machen das in erster Linie für die Umwelt und wollen andere Firmen motivieren, unserem Beispiel zu folgen.“
Während mit dem Start von Wladimir Putins Angriff auf die Ukraine ganz Europa auf die Suche nach Alternativen zu russischem Gas und Öl ging, überlegte sich Ewald Perwög schon 2015: „Wie können wir als lokaler Mittelständler von fossilen Energien wegkommen und unseren CO2-Fußabdruck verringern.“
Perwög, Leiter und Initiator des Wasserstoffprojekts bei Mpreis, war schon damals überzeugt davon, „dass Wasserstoff ein wesentlicher Teil der Dekarbonisierung sein wird.“ Nach intensiven internen Debatten wurde das Vorhaben auf die Reise geschickt, eigenen Wasserstoff zu produzieren.
Der soll dort zum Einsatz kommen, wo bei Mpreis besonders viel fossile Energie verbraucht wird: Das ist einerseits die Bäckerei und andererseits die Lkw-Flotte.
"Großes Risiko"
„Wir haben ein großes Risiko genommen“, sagt Perwög heute. Hinter ihm stehen drei zigarrenförmige Tanks, in denen 800 Kilo Wasserstoff gespeichert werden können. Im März wurde die Produktion aufgenommen. Herzstück der Anlage ist ein 80 Tonnen schwerer Elektrolyseur, der in einem eigens errichteten Gebäude neben der Bäckerei untergebracht ist.
Hier wird Grundwasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Betrieben wird die Anlage mit Öko-Strom, was den Wasserstoff zu „grünem“ Wasserstoff macht. 1.200 Kilo davon können täglich hergestellt werden.
Diese Menge reicht, um den gesamten Backprozess und 20 Wasserstoff-Lkw zu betreiben. Im Sommer werden die ersten drei Fahrzeuge geliefert. Die Tankstelle, an der täglich 40 Laster gefüllt werden könnten, steht bereits. Auch hier ist Mpreis Vorreiter. Nach und nach soll die gesamte Flotte des Unternehmens umgerüstet werden.
1,5 Millionen Liter Diesel
„Wenn es so weit ist, können wir 1,5 Millionen Liter Diesel pro Jahr einsparen“, sagt Perwög, der nicht nur Maschinenbauingenieur, sondern auch studierter Betriebswirt ist und somit stets auch die Wirtschaftlichkeit im Blick hat. Unumwunden gibt er zu: „Wasserstoff ist derzeit noch eine teure Energie. Wasserstofftreibstoff ist doppelt so teuer wie Diesel. Aber wir arbeiten in eine Zeit hinein, in der sich die Rahmenbedingungen für Wasserstoff ändern.“
Für diese Zeit hat man bereits Pionierarbeit geleistet. Für die Bäckerei wurde etwa der Prototyp eines Zweistoffbrenners entwickelt. Der gewährleistet, dass bei der Beheizung der Backöfen praktisch nahtlos zwischen Gas und Wasserstoff gewechselt werden kann. Wenn Putin also tatsächlich am Hahn drehen sollte, können Perwög und Mölk das auch.
Der mächtige Gashahn
Hintergrund. Über Jahrzehnte hinweg wurde Österreich nicht nur zuverlässig mit Erdgas aus der Sowjetunion und später aus Russland versorgt. Es war noch dazu vergleichsweise billig.
80 Prozent des heimischen Verbrauchs stammen aus russischen Quellen. Entsprechend schwer tut sich Österreich mit einem Gasboykott.
Von den jährlich 8,5 Milliarden Kilogramm Gas, die hierzulande verbraucht werden, entfallen drei Milliarden auf die Industrie. Die größten Verbraucher sind unter anderem die Papier- oder die Stahlindustrie. Aber auch die Nahrungsmittelindustrie. So betreiben 85 der heimischen Bäckereien ihre Öfen und Geräte mit Erdgas.
Darum ist die durch den Klimawandel ohnehin große Dringlichkeit der Suche nach Alternativen zu fossilen Energien noch einmal brisanter geworden. Vor diesem Hintergrund sorgt das Wasserstoffprojekt der Tiroler Supermarktkette Mpreis auch international für Aufmerksamkeit.
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