Winterschlaf statt Pandemie: Einfach mal Augen zu und durch
Viele Tiere befinden sich zurzeit im Winterschlaf, so entkommen sie einer für sie lebensbedrohenden Phase. Können sich Menschen davon etwas abschauen, Pandemien künftig „verschlafen“?
Bär, Ziesel, Siebenschläfer oder Dachse – sie alle haben eines gemeinsam: Sie gehen „schlafen“, wenn für sie durch harsche Umweltbedingungen eine unangenehme, lebensbedrohliche Zeit ansteht.
Ein Mechanismus, den sich auch Menschen zunutze machen könnten? „Derzeit nicht“, ist die klare Antwort von Thomas Ruf, Forscher am Forschungsinstitut für Wildtierkunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Seit etlichen Jahrzehnten werden die Mechanismen des tierischen Winterschlafs oder der Winterruhe beforscht, sie sind nicht nur für die Tier- und Umweltforschung relevant, sondern auch für die Humanmedizin und die Raumfahrt.
„Früher haben Mediziner versucht, Menschen für Operationen in einen Winterschlaf-Zustand zu bringen“, sagt Ruf. Um die Körpertemperatur so zu senken, wie das bei Tieren passiert, habe man versucht, sie mit Eiswürfeln herunterzukühlen. Funktioniert habe das freilich nicht.
Was die neurologischen Vorgänge sind, die den Eintritt in den Winterschlaf steuern, sei noch unklar und Gegenstand der aktuellen Forschung, so Ruf.
Ebenfalls spannend für den Menschen ist, was hinter den körperlichen Mechanismen bei Winterschläfern steckt. Denn sie können nach monatelangem Ruhen aufstehen, als wäre nichts gewesen. Ihre Muskulatur hat nicht gelitten. „Menschen hingegen haben schon ein Problem, wenn sie ein paar Wochen lang einen Gips tragen. Wir bauen sehr schnell Muskulatur ab“, sagt Ruf.
Keine Erholung
Als erstrebenswerten Zustand für den Menschen würde Tierökologin Claudia Bieber, ebenfalls vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde, den „Winterschlaf“ dennoch nicht bezeichnen.
Anders als man vielleicht denken mag, ist der Winterschlaf nämlich nicht erholsam. „Wir gehen davon aus, dass das Gegenteil der Fall ist und Tiere im Winterschlaf unter Schlafmangel leiden“, erklärt Bieber. Der Grund dafür: „In Phasen einer tiefen Körpertemperatur können sie gar nicht schlafen, das Gehirn ist kaum aktiv.“ Beim Eintritt in den Winterschlaf wird der Stoffwechsel so weit gedrosselt, dass die Körpertemperatur bis auf Umgebungstemperatur herunterfällt. Doch die Winterschläfer können nicht mehrere Monate durchgehend den Stoffwechsel abschalten, daher müssen sie laut der Forscherin nach maximal sieben Wochen „die innere Heizung kurz anwerfen“. Für vier bis sechs Stunden steige dann die Körpertemperatur auf nahezu „Normaltemperatur“, dabei sei die Stoffwechselrate enorm.
„Wir können sicher einiges von Winterschläfern lernen: Wie können sich Tiere zum Beispiel phasenweise so fett fressen, ohne an Diabetes und Arteriosklerose zu leiden?“, sagt Bieber.
Aber würde man ihr jetzt anbieten, Winterschlaf zu halten, sie würde ablehnen.
Bieber begründet dies mit dem Beispiel der von ihr erforschten Siebenschläfer im Wienerwald: „Deutlich mehr als die Hälfte der Lebenszeit allein in der Erde zu verbringen und in rund vier Monaten pro Jahr alles erledigen zu müssen – sich zu paaren, die Jungen aufzuziehen und sich für den nächsten Winterschlaf fett zu fressen, das ist stressig.“
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