Vom 1. November bis 15. April gilt für Pkw und Lkw bis zu 3,5 Tonnen eine situative Winterausrüstungspflicht. Autofahrerinnen und Autofahrer müssen also bei winterlichen Fahrbedingungen Winterreifen montiert haben.
Wer also trotz entsprechender Witterung ohne Winterreifen fährt, riskiert im Falle einer Kontrolle eine Strafe von mindestens 60 Euro. Kostspielig kann es bei Unfällen werden. Verursachen Verkehrsteilnehmerinnen oder Verkehrsteilnehmer eines nicht mit Winterreifen ausgerüsteten Fahrzeuges einen Schaden, muss deren Haftpflichtversicherung den Schaden ersetzen.
Zudem gilt die umgekehrte Beweispflicht. Sprich: Alle, die mit Sommerreifen unterwegs waren, müssen beweisen, dass der gleiche Unfall auch mit einer Winterausrüstung passiert wäre.
Ein Erfahrungsbericht vom Reifenwechseln
Der Leiter der Testabteilung des ÖAMTC, Steffan Kerbl, ist ein in sich ruhender Mensch. Doch irgendwann sieht auch er den Moment gekommen, dem mit dem Autoreifen-Wechsel sichtbar überforderten Redakteur das Werkzeug aus der Hand zu nehmen. Streng genommen ist dieser Moment erreicht, noch bevor das Werkzeug so richtig in die Hand genommen wurde.
Vorbereitung der Challenge
Vier Mitarbeiter des ÖAMTC um ihre Mithilfe zu bitten, das kann sich nicht jede/r leisten, hätte allerdings mehrere Vorteile: In der Testwerkstatt in der Wiener Baumgasse ist es warm, der Boden ist eben und trocken. Und es liegen alle Werkzeuge bereit, die man benötigt.
Nicht zuletzt: Das Quartett gibt dem Unbedarften sofort Sicherheit. Gemeinsam hat man mehr Reifen gewechselt als Winter erlebt. Nebenbei angemerkt: Chef-Tester Kerbl wechselt vier Reifen in zwanzig Minuten. Tipp: Normalsterbliche sollten damit eher zwei Stunden als nur eine Stunde vor dem Mittagessen bei der Schwiegermama beginnen. Ach ja, fast hätten wir es vergessen, wichtig: Gang einlegen, Handbremse anziehen.
Aber der Reihe nach: Ich habe in der Werkstatt des Vertrauens keinen Termin fürs Umstecken der Winterreifen bekommen – das erzählen derzeit viele. Manch eine/r schreitet daher gleich selbst zur Tat – und das ist nicht ganz ungefährlich ...
Die Erzählung könnte hier zu Ende sein. Denn mit dem Werkzeug, das das Werk des roten Kleinwagens für Reifenpannen mitgeliefert hat, scheitert man schon an der ersten leicht angerosteten Schraube.
Mit einem dankenswerterweise vom ÖAMTC zur Verfügung gestellten Radkreuz gelingt der zweite Versuch mit Ach, Krach und viel Fluch. Sir Kerbl lächelt wissend. Er hatte den richtigen Dreh schon in seiner Kindheit heraus.
Die kleine Kiste aufheben
Der nächste Knackpunkt: Wo ist denn der Wagenhebepunkt unter dem Auto? Ah, in der Bedienungsanleitung! Aber wo ist die Bedienungsanleitung? Mit dem Werkswagenheber ist diese Aufgabe grundsätzlich machbar, aber deutlich instabil.
Man reiche, bitte, dem Redakteur den Rangierwagenheber (neu: von 50 Euro aufwärts).
Alle Schrauben lösen
Das gelingt sogar Menschen mit zwei linken Händen quasi mit links – sofern die Schrauben auch gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden.
Dann das Rad runterheben
Das ist jetzt auch keine Raketenwissenschaft, zumindest nicht beim Kleinwagen. Aufpassen auf die Finger, speziell bei schwereren Reifen!
Wann, wenn nicht jetzt! Mit einem Reifendruckmessgerät (ab 4,79 Euro) könnte man nebenbei den Reifendruck der Winterreifen messen. Der Solldruck liegt meist bei 2,2 bis 2,5 Bar – genaue Auskunft liefert hier ebenso die Bedienungsanleitung.
Auch die Profiltiefe des Reifens sollte man wieder mal überprüfen. Liegt sie in der Gegend von vier bis fünf Millimeter oder weniger, wird es gefährlich.
Das Rad wieder aufstecken
Wieder muss Techniker Kerbl ein wenig nachhelfen: Das Rad aufheben, richtig platzieren und das Einstecken der ersten Schraube erfordern Kraft und ein Mindestmaß an Fingerspitzengefühl. Vergleichsweise einfach ist dann das Anbringen der restlichen Schrauben. Zwei, drei Gewindedrehungen sollten vorerst reichen.
Keine Schraube locker
Eine weitere Hürde nach dem Absenken des Fahrzeugs: Wer sich rein auf seine Muskelkraft verlässt, begibt sich – sofern nicht Kraftsportler oder „Conan, der Barbar“ – in Lebensgefahr. Man reiche jetzt bitte den Drehmomentschlüssel (von 50 Euro in luftige Höhen aufwärts). Doch ist dieser Schlüssel richtig eingestellt?
Techniker Kerbl erklärt: „Der Wert ist ebenfalls im Bordbuch angegeben, er liegt zwischen 100 und 125 Newtonmeter.“ Die Schrauben werden jeweils kreuzweise angezogen, bis der Drehmomentschlüssel das erste Mal klickt. Das schaffen auch die Nicht-Conans. Ratsam ist übrigens eine Kontrolle 50 Kilometer nach Reifenwechsel.
„Man muss sich nicht genieren. Selbst gestandene Techniker lassen heute ihre Reifen in der Werkstatt wechseln“, sagt Steffan Kerbl (siehe Foto oben) nach dem Wechsel des ersten Reifens sehr höflich. Dabei hatten wir es heute noch nicht einmal mit den Reifendrucksensoren zu tun, die seit 1. 11. 2014 verpflichtend in Fahrzeugen eingebaut sein müssen, mehr Komfort im Cockpit bieten, gleichzeitig aber die Selbsthilfe erschweren.
Auch sind die Reifen der tonnenschweren E-Autos und SUVs noch einmal eine ganz andere Herausforderung.
PS: In einer Werkstatt Reifen wechseln lassen kostet im Schnitt weniger als ein guter Drehmomentschlüssel.
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