Wildbach-Experte: "Wir wissen nicht, was da noch nachkommt"

Eine Schlammlawine wälzte sich am Sonntag durch den Afritzer Ortsteil Kraa
Nach Murenabgang in Afritz soll bald mit Schutzbau begonnen werden. Starkregen bleibt eine Bedrohung.

Die Aufräumarbeiten nach dem Murenabgang am Sonntag im Afritzer Ortsteil Kraa laufen unverändert weiter. Rund 170 Helfer versuchen, Häuser von Schlamm und Geröll zu befreien. Bagger graben die Straßen frei. Grundwehrdiener schöpfen den Dreck mit Schaufeln ab.

Nach der folgenschweren Naturkatastrophe sind auch Fragen laut geworden, ob einige Häuser in Verbotszonen stehen. Bürgermeister Maximilian Linder streitet das nicht ab. Dennoch sieht er seitens der Gemeinde kein Fehlverhalten. "Mitte der 70er-Jahre hat man diesen Gefahrenzonenplan erstellt. Damals sind schon Gebäude dort gestanden, wo seither nicht mehr gebaut werden darf", sagt Linder. Daran habe man sich strikt gehalten – bestehende Häuser könne man nicht einfach abreißen.

Derzeit werden um 250.000 Euro provisorische Schutzdämme errichtet, berichtet Josef Brunner, Sektionsleiter der Wildbach- und Lawinenverbauung in Kärnten. In zwei bis drei Wochen sollen die Planungen für eine Murenrückhaltesperre fertig sein. Baubeginn: frühestens in eineinhalb Monaten. Ein weiteres halbes Jahr soll vergehen, bis das von der Mure betroffene Gebiet ausreichend geschützt ist.

Bis es soweit ist, bleiben die Bewohner mit der Unsicherheit auf der Strecke: Jeder größere Regen könne neuerlich zu einer Katastrophe führen, meint Brunner. "Der Graben ist wirklich aufgerissen, wir wissen nicht, was da noch nachkommt", sagt er. Erste Kostenschätzungen gehen von fünf bis sechs Millionen Euro aus. In den vergangenen zwei Jahrzehnten seien in Afritz bereits Schutzbauten um 7,8 Millionen Euro entstanden, sagt Brunner.

Wie viele der Häuser womöglich unbewohnbar bleiben, ist weiterhin unklar. Am Mittwoch wurden weitere Gebäude zur Rückkehr freigegeben. 26 sind noch für jeglichen Zutritt gesperrt. Rund 70 Afritzer sind davon betroffen. Für sie hat das Innenministerium Hilfe zugesagt: Bei Bedarf würden Container in Villach als Übergangslösung angeboten, hieß es von einem Sprecher.

Wildbach-Experte: "Wir wissen nicht, was da noch nachkommt"
Bürgermeister Maximilian Linder
Trotz der Fortschritte bei den Aufräumarbeiten bleibt die Millstätter Straße (B98) mindestens bis Samstag für den Verkehr gesperrt. "Es kommt immer wieder Schutt und Schlamm auf die Straße. Das wäre zu gefährlich, da hätten wir sofort Unfälle", sagt Bürgermeister Linder.

Spendenaktionen

Für die betroffene Bevölkerung ist der Rückhalt ungebrochen, auch aus den Nachbargemeinden. Neben zahlreichen Spendenaufrufen seien Benefizkonzerte geplant, deren Erlöse den Opfern zugute kommen sollen, verspricht Linder. Schauspieler Max Müller (bekannt aus der TV-Serie "Rosenheim-Cops") habe ein entsprechendes Konzert in Afritz von sich aus angeboten. "Die große Spendenbereitschaft hilft der Bevölkerung mental. Die Leute wissen, dass sie nicht alleine gelassen werden."

Die Anteilnahme am Schicksal der kleinen Fremdenverkehrsgemeinde geht inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus. Langjährige Stammgäste fragen besorgt nach. Die Urlauber wollten dem Ort jedenfalls die Treue halten, heißt es aus Tourismusbetrieben. "Mein Telefon geht regelrecht über. Es rufen jeden Tag Leute an und erkundigen sich", sagt etwa Gastwirt Gerald Glinzner. Ihn erreichten neben Nachfragen aus dem Inland auch Anrufe aus Deutschland und den Niederlanden.

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