Wie viel die Trauer kosten darf

Eine Gedenkstätte für das tote Familienmitglied kann Hilfestellung bei der Bewältigung der Trauerarbeit sein, ersatzfähig ist sie aber nicht.
Schuldtragender Lenker muss Facelifting, aber keine Kapelle finanzieren.

Wie weit darf Trauerbewältigung – finanziell betrachtet – gehen? Muss der Verursacher des Schmerzes dafür aufkommen, dass sich der Trauernde eine Gedenkstätte errichten lässt, die sein Leid mildert? Muss er für die chirurgische Beseitigung von Kummerfalten zahlen?

2012 wurde eine Studentin bei einem Verkehrsunfall in NÖ getötet. Deren Mutter erlitt einen Schock, der Schuld tragende Lenker und seine Haftpflichtversicherung wurden verurteilt, der traumatisierten Frau 28.000 Euro (Trauer-)Schmerzensgeld zu zahlen.

Gehirntumor

Die Familie hatte schon einen anderen Schicksalsschlag zu verkraften: Beim Bruder der getöteten jungen Frau war noch zu deren Lebzeiten ein Gehirntumor diagnostiziert worden. Die Schwester hatte geplant, zu seinem Gedenken eine Kapelle errichten zu lassen, falls dem Bruder "etwas passiere". Der Tumor wurde jedoch erfolgreich entfernt, der Bursche überlebte den Eingriff. Und seine Schwester.

Nach dem Unfalltod der Tochter entschloss sich die Mutter, den für den Bruder geschmiedeten Plan umzusetzen und eine Gedenkstätte für das Mädchen zu errichten. Es wurde eine Kapelle samt Madonna mit Kind gebaut, das kostete 21.000 Euro. Diese Summe klagte die Mutter beim Unfallverursacher zusätzlich ein.

Der Prozess zog sich durch zwei Instanzen bis zum Oberlandesgericht Wien (OLG). Grundsätzlich ist alles ersatzfähig, was zur Beseitigung oder Milderung der gesundheitlichen Folgen des Schocks führt. Dazu gehört auch die Trauerbewältigung. Der Aufwand muss nicht unbedingt erfolgreich, aber zweckmäßig und angemessen sein.

Abgeblitzt

Wie das Gericht feststellt, konnte die Kapelle der Mutter eine gewisse Hilfestellung bei der Bewältigung ihrer Trauerarbeit bieten. Trotzdem blitzte sie mit ihrer Klage auf Kostenübernahme endgültig ab.

Der Kapellenbau führte nämlich nicht zu einer tatsächlichen Besserung ihres psychischen Gesundheitszustandes. "Der Ersatzanspruch scheitert somit bereits an der Zweckmäßigkeit der Aufwendungen", führt das Gericht aus.

Der Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni im deutschen Aachen, Christian Huber, kritisiert das Urteil in der Zeitschrift für Verkehrsrecht (Manz). Einerseits sei dadurch einer Ausuferung der Schadenersatzpflicht Einhalt geboten. Womöglich müsse der Schädiger oder seine Versicherung sonst beim nächsten Mal die Kosten für ein "Taj Mahal" ersetzen.

Andererseits: "Hätte sich die (einkommensschwache) Mutter auf die Couch eines Psychiaters gelegt oder Psychopharmaka geschluckt, wären diese wohl bezahlt worden."

Wobei Huber bezweifelt, ob die therapeutische Wirkung so viel höher zu veranschlagen sei als jene der Kapelle für die Tochter.

Er verweist auf ein Facelifting gegen Kummerfalten, das der Oberste Gerichtshof (OGH) sehr wohl für ersatzfähig hält. Auch in diesem Fall geht es um eine Mutter, die ihre Tochter bei einem Verkehrsunfall verloren hat.

Vorzeitig gealtert

Die 45-jährige Friseurin nahm vor Kummer innerhalb eines Jahres 15 Kilogramm ab. Ihr fahles, schlaffes Gesicht war als Ausdruck der laut Gericht "außergewöhnlich starken vorzeitigen Alterung" unübersehbar. Die Frau wurde im Friseursalon von Kunden häufig darauf angesprochen, was ihren Leidensdruck weiter erhöhte. Sie entschloss sich daher zu einer Facelifting-Operation bei einem plastischen Chirurgen und klagte die Kosten von 9000 Euro sowie 2000 Euro Schmerzensgeld für die Schmerzen nach dem Eingriff bei der Versicherung des Unfalllenkers ein.

Der Klage wurde stattgegeben. Der OGH befand das Facelifting zur Beseitigung der Kummerfalten als therapeutische Maßnahme, um die psychische Situation der Mutter zu verbessern.

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