Wie sich die Nationalparks gegen den Klimawandel stemmen
Kühe im Vogelschutzgebiet und Bagger in der Lobau: Österreichs Nationalparks begegnen den Folgen des Klimawandels und Einflüssen der Industrie mit teils ungewöhnlichen Mitteln
Was kommt dabei heraus, wenn ein Kraftwerk gebaut werden soll? Richtig, ein Nationalpark. Was nach einem Witz klingt, hat sich mehrmals genauso zugetragen. Alle sechs österreichischen Nationalparks entstanden aus Protesten gegen industrielle Großprojekte. Pläne für Bauprojekte unmittelbar auf Nationalparkflächen gibt es aber auch heute. Der Klimawandel stellt die Nationalparks ebenfalls vor Herausforderungen.
Im burgenländischen Vogelparadies Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel versucht man das Verschwinden von Salzlacken aufzuhalten. „Waren es Mitte des 19. Jahrhunderts 140 Lacken, sind heute noch 30 übrig – wenn man die sterbenden hinzuzählt“, erklärt Harald Grabenhofer, Leiter der Abteilung Forschung.
Grund für die Austrocknung ist zu niedriges Grundwasser, ohne das Salze nicht an die Oberfläche transportiert werden. In Folge süßt die Lacke aus und Vögel verlieren ihre Brut- und Nistplätze. Die niedrigen Grundwasserstände werden wiederum nicht nur durch ausbleibende Niederschläge verursacht.
Wasser in der Region halten
Das wirkliche Problem sei, dass Regenwasser viel zu schnell wieder abfließt. „In erster Linie braucht es Rückstaumaßnahmen, um das Wasser in der Region zu halten“, sagt Grabenhofer. Ein erstes Projekt wurde im März von der EU genehmigt. Ergänzend brauche es in der Landwirtschaft auch ein Umdenken bei bewässerungsintensiven Kulturen.
Manche Lacken sind unwiederbringlich verloren, an anderen Stellen ist es gelungen, die Entwicklung umzukehren – durch Rinderherden. Ungeachtet des Rufs als Klimakiller können sie die Umwelt bei richtiger Haltung schützen.
Klimaschoner Kuh
Auf einer Fläche, die man durch eine Herde intensiv beweiden ließ, ist inzwischen wieder eine Lacke entstanden. Auch Graurinder und Wasserbüffel weiden auf den Nationalparkflächen. Teilweise wird ihr Einsatz jedoch verringert werden müssen, weil die finanziellen Mittel fehlen.
Nach der Au-Besetzung kaum vorstellbar, aber Bagger in der Lobau können auch etwas Gutes verheißen. Wer von Stopfenreuth flussabwärts paddelt, kann sich davon überzeugen. Kurz vor Hainburg geht es links in den Spittelauer Arm.
Bagger in der Lobau
Genau das war lange nicht möglich. Das Seitengewässer war abgeschnitten. Das Gebiet verlandete, die Auwälder verjüngten sich kaum mehr. Ließe man diese Entwicklung zu, würde sich ein Laubwald entwickeln und Tier- und Pflanzenarten verschwinden. Mithilfe von schwerem Gerät wurde der Zufluss geöffnet und das Ufer in einen natürlichen Zustand zurückgeführt. Nun trennt die Gewässer eine Insel aus Steilhängen, in denen farbenprächtige Bienenfresser nisten. Dass die Insel durch die Strömung schmaler wird, ist kein Problem: „Wir rechnen damit, dass es in den nächsten Jahren einen Durchbruch gibt. Das wird der Natur einen Schub geben“, erklärt Christian Baumgartner, Leiter der Abteilung Natur und Wissenschaft.
Welche Wirkung solche Maßnahmen haben, zeigt die Rückkehr der Seeadler. Inzwischen leben sechs brütende Pärchen in der Lobau. Wer durch den Seitenarm treibt, beobachtet mit etwas Glück auch einen Rehbock, der von einem Ufer ans andere schwimmt.
Ein Problem hat der Nationalpark mit dem Twin City Liner, der von Wien nach Bratislava verkehrt. Durch den hohen Wellengang würden Fischlarven „massakriert“.
Kein Kommentar
Keine Kritik hört man am Lobautunnel. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) legte den Bau auf Eis, Wien hält an dem Projekt fest. „Es gibt offene Verfahren, in denen wir Stellungnahmen abgeben. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir das Projekt nicht öffentlich kommentieren“, erklärt Nationalparkdirektorin Edith Klauser.
Ein möglicher Grund: Am Nationalpark wirken gleich drei Gesellschafter mit: der Bund sowie die Länder Wien und Niederösterreich.
Auch im niederösterreichischen Hardegg wehrte man sich gegen Kraftwerkspläne. Als der Nationalpark Thayatal gegründet wurde, existierte das tschechische Wasserkraftwerk Vranov (Frain) nahe der Grenze aber bereits. Nichtsdestotrotz gibt es Tier- und Pflanzenarten, die anderswo kaum mehr zu finden sind.
Wo heute ein grenzüberschreitender Nationalpark beide Länder verbindet, trennte sie einst der Eiserne Vorhang. Schwarzstörche und Fischotter konnten nahezu ungestört leben. Von der Wildkatze, die als ausgestorben galt, gibt es wieder zumindest zwei Exemplare.
Der brennende Busch
Gefährlich werden könnte der Diptam-Busch. Dieser geht laut Botanikern an heißen Tagen in Flammen auf. „Bisher haben wir das aber noch nie beobachtet“, räumt Direktor Christian Übl ein.
Seit Kurzem sind die Nationalparks über eine Hängebrücke verbunden. Um sie zu bauen, brauchte es jede Genehmigung doppelt: österreichisch und tschechisch. Wenn schon nicht das Baurecht, will man zumindest das Fischen vereinheitlichen. Stellenweise gelten an den gegenüberliegenden Ufern andere Regeln.
Darüber, welche Seite die schönste Aussicht hat und wo die Sonne öfter scheint, wird man sich aber wohl nie einig.
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