Wie die braune Mafia im Blickfeld der Polizei seit Jahren ungestört werkt
Die Uniform saß, als der oberösterreichische Landespolizeidirektor, Andreas Pilsl, vergangene Woche beim Landessicherheitsrat vor die Presse trat.
Zuvor waren 100 Waffen im Wert von 1,5 Millionen Euro bei Cobra-Zugriffen in OÖ und auf einem Bauernhof in NÖ sichergestellt worden. Ein großer Schlag gegen die Rocker-Kriminalität, die offenbar eng verwoben mit der rechtsextremen Szene mafiaähnliche Geschäfte machte.
Oberösterreichs oberster Polizist sprach in Interviews dennoch lieber von Rockern, als von Rechten. In jenem Bundesland, das seit Jahren bei rechten Straftaten an der Spitze liegt.
Auch das saß.
Es seien „nicht nur Rechte am Werk“, betonte Pilsl vehement. Und die Amtshandlung „ausschließlich ins rechte Eck zu stellen“, sei falsch.
Doch KURIER-Recherchen belegen eindeutig etwas anderes, wie Sie im folgenden Text lesen.
„X. ist rechtsradikal. Es treiben sich dort viele Gleichgesinnte, welche der rechten Szene angehören, herum.“
Eine Aussage aus einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung aus dem Jahr 2012. Elf Jahre später ist Herr X. einer jener sechs Männer zwischen 32 und 65 Jahren, deren U-Haft am Dienstag um einen weiteren Monat verlängert wurde.
➤ Mehr lesen: Schlag gegen Nazi-Rocker: Alle 6 Verdächtigen bleiben in U-Haft
Zum Zeitpunkt des Protokolls galt X als die Nummer 2 einer der kriminellsten Neonazi-Organisationen Österreichs: dem Objekt 21 (O 21).
Der KURIER hat die Protokolle von einst ausgehoben, Parallelen entdeckt, mit Experten gesprochen, aufgedeckt.
Zumindest 4 der 6 Männer, die in U-Haft sitzen, sollen Verbindungen zum Objekt 21 oder seinem Dunstkreis haben, der damals rund 200 Personen umfasste. Alle sind rechtsextrem, alle den Behörden seit Jahren bekannt.
Auch das sitzt.
Und wirft die Frage auf: Konnten die Protagonisten von einst unbehelligt mit den Machenschaften des O 21 bis heute weitermachen?
Rückblende rund um das Jahr 2010: Schwerkriminelle Rechte ziehen auf einem Bauernhof in Desselbrunn (OÖ) einen Nazi-Verein, das Objekt 21, auf. Offiziell unter dem Deckmantel eines „Kulturvereins“.
Skorpione zur Geschäftsschädigung
Zwischen verbotenen Rechtsrock-Konzerten lässt man sich für Anschläge auf Bordelle bezahlen, setzt Skorpione zur Geschäftsschädigung der Konkurrenz aus, handelt mit Drogen und Waffen.
Der Chef des Objekts 21, Jürgen W., zuvor Rädelsführer des „Kampfverbands Oberdonau“, der nach wie vor in Haft sitzt, trägt unter seiner rechten Achsel ein Hakenkreuz und hat am Hinterkopf einen Reichsadler tätowiert.
Herrn X. – ebenfalls mit einschlägigen Tattoos – nennt er „einen sehr guten Freund“. Herr X. wird im Zusammenhang mit dem Objekt 21 verurteilt, seine Gesinnung stellt er bereits im Jahr 2018 wieder auf einem T-Shirt bei einem Rechtsrock-Konzert in Deutschland öffentlich zur Schau: „Division Braunau“ ist darauf zu lesen.
2021 dann die nächste Verurteilung wegen Wiederbetätigung. Beim Schnitzelessen habe man die Nazi-Tattoos präsentiert und dann Fotos im Netz geteilt.
Waffen, Rotlicht, Drogen: Wie beim O 21 drehen sich die Ermittlungen auch nun um diese Delikte.
Waffenhändler des Objekts 21 auch nun in U-Haft
Wer der Spur der Waffen folgt, landet bei den aktuellen Ermittlungen ausgerechnet beim einstigen Waffenhändler des Objekts 21. Die aktuell gefundenen Waffen sollen von ihm stammen: Der 58-Jährige lebte vor der U-Haft mit seinen Eltern auf dem Bauernhof im Waldviertel.
Die Einfahrt in NÖ ziert ein vier Meter großes Nazizeichen. Die Cobra-Beamten soll man Ende Juni mit den Worten begrüßt haben: „Seids eh keine Juden?“ Am Bauernhof in NÖ und in einem der Bordelle des 58-Jährigen in OÖ wurde ein Großteil der Waffen sichergestellt.
➤ Mehr lesen: Schlag gegen Bandidos: Die Rocker-Nazis vom Bauernhof
Nicht in irgendeinem Bordell, sondern exakt in jenem, in dem auch die O-21-Leute einst Waffen gekauft haben sollen: „Die AK47 war im Einkauf von (...) im Bordell für 1.000 Euro zu erhalten“, heißt es 2012. Nun war das Bordell offenbar wieder Waffenlager.
Auch das sitzt.
Professionalisierung der rechtsextremen Szene
Der Unterschied: Zu Objekt-21-Zeiten waren die Waffenfunde kleiner. Eine AK47 (Kalaschnikow) in einem Ofenrohr, eine Glock-Pistole, versteckt in einem DVD-Player. Auch das steht in den alten Protokollen.
➤ Mehr lesen: Rechtsextreme Szene: „Kein Aufhören, sondern ein Weitertun“
„Wir beobachten aktuell eine zunehmende Militarisierung der rechtsextremistischen Szene.“
So steht es in einem Falter-Interview mit Omar Haijawi-Pirchner, Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst. Sind die Geschehnisse in OÖ der Beweis dafür? Von einem Sturmgewehr im Ofenrohr 2012 zu 25 Maschinenpistolen, 35 Langwaffen und Granatwerfern 2023.
Die Polizei sieht sich offenbar mit einer braunen Mafia im Innviertel konfrontiert, die sich professionalisiert hat – im Blickfeld der Behörden.
Drogen-, Waffen- und Rotlicht-Geschäfte bringen das Geld, die braune Gesinnung bringt den nötigen Zusammenhalt. Eine gefährliche Gemengelage. Besonders, wenn man den rechten Aspekt kleinredet.
Waren beim O 21 noch die Hells Angels an Bord, sind es nun offenbar die Bandidos.
➤ Mehr lesen: Rockerbande: Spuren führen ins Rotlicht-und Drogenmilieu
Und offenbar auch sie: Herr W. und Herr Z., ebenfalls in U-Haft, sind Ermittlern aus dem O-21-Dunstkreis bekannt. In sozialen Medien teilen beide Bilder mit Bandidos-Bezug. Tragen stolz Rocker-Jacken mit dem Batch „Thun“, ein Ableger der Bandidos in der Schweiz, der sich seit Jahren einen Krieg mit den Hells Angels liefert.
"Gefällt mir" für Konzentrationslager
Ja, sie sind Rocker. Und ja, sie vergeben „Likes“ auf Facebook für: KZ Auschwitz. KZ Mauthausen. Objekt 21. Die NPD. Dazwischen tauchen Bilder von Krampussen auf. Gefolgt von Kommentaren einer Krampusgruppe, deren Name auf „Führerbunker“ endet.
„Alles Gute zum Geburtstag, Papa Adolf.“
Es bleiben jene Männer, die bei den 13 Hausdurchsuchungen ins Visier der Polizei geraten sind: Ein Waffenhändler mit FPÖ-Bezug. Ein Bursch mit Fotos und White-Power-Shirt, offenbar Anhänger der Neonazi-Gruppe „Road Crew 24“. Ein Mann, der bereits verurteilt wurde, weil er „Papa Adolf“ alles Gute zum Geburtstag wünschte.
Am Ende der KURIER-Recherchen werden bei neun der 13 Verdächtigen eindeutige Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung vorliegen. Eine Gesinnung, die der Polizei seit Jahren bekannt ist.
Am Dienstag
hat die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis die U-Haft über die sechs Verdächtigen verlängert. „Einer der Betroffenen hat Beschwerde eingelegt, die nun vom Oberlandesgericht Linz geprüft wird“, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Alois Ebner. Die nächste Haftprüfung findet in einem Monat statt
Ermittelt
wird wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz, das Kriegsmaterial-, das Waffen- und das Suchtmittelgesetz
Erst seit wenigen Tagen gibt es in OÖ den überarbeiteten „Aktionsplan Extremismus“. Erweitert um 61 neuen Maßnahmen.
Für Polizei und Verfassungsschutz sind keine Neuerungen vermerkt. Fünf polizeiliche Punkte reichen offenbar zur Bekämpfung der Extremismus-Szene.
Im Bundesland mit den meisten rechtsextremen Straftaten des Landes.
Das sitzt.
Kommentare