Wie Corona die österreichische Drogenszene verändert
Die Corona-Pandemie ist auch an der Drogenszene nicht spurlos vorübergegangen. Darauf macht der am Donnerstag präsentierte Drogenbericht des Bundeskriminalamts aufmerksam. Vor allem zwei Aspekte machen den Ermittlern rund um Brigadier Daniel Lichtenegger massive Sorgen:
Zwar sollte es eigentlich eine gute Nachricht sein, dass die afrikanischen Dealer aus dem Straßenverkauf in den großen Städten Österreichs verdrängt worden sind, schlecht ist allerdings, wer nachgefolgt ist: Gruppierungen vom Westbalkan, vor allem aus Serbien.
Wurden Streitigkeiten unter Afrikanern vor allem mit internen Geldstrafen sanktioniert und selten ein Messer gezogen, gehören am Balkan auch Folter und Mord zum ständigen Repertoire. Blutige Auseinandersetzung könnten künftig häufiger werden.
Schon in der Vergangenheit war der Drogenhandel fest in der Hand von Balkan-Banden; bisher wurde aber nur der Transport und die Verteilung übernommen.
Drogen per Mausklick
Zweite Sorge der Fahnder: Der Onlinehandel boomt nicht nur in der Realwirtschaft, sondern auch im Suchtmittelhandel. Bereits jeder fünfte Deal wird online abgeschlossen. Ermittler kritisieren hinter vorgehaltener Hand allerdings immer wieder, dass sie von der Post zu wenig Unterstützung bei der Drogenbekämpfung erhalten.
Während einige Vorgänger von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) auf medienwirksame, aber von Ermittlern oft als sinnlos erachteten, Jagden auf Kleindealer bliesen, will Karner lieber die Strukturen zerschlagen. Schutz der Bevölkerung gehe vor spektakulären Aufgriffen. Das ist auch die Ursache für den Rückgang der Anzeigenzahlen, denn Drogenvergehen sind ein sogenanntes Kontrolldelikt. Das bedeutet, dass die Zahlen weniger den Rauschgiftkonsum widerspiegeln als die Arbeitstätigkeit der Polizei. Da diese weniger auf der Straße unterwegs war und mehr Hintermänner ausgeforscht hat, gibt es mehr Anzeigen bei Drogendelikten, die mit höheren Strafen bedroht sind.
Jedenfalls bleibt Cannabis die Volksdroge Nummer eins. In den vergangenen zehn Jahren stieg die sichergestellte Menge von einer auf zuletzt 2,1 Tonnen. Es wurden über tausend Hanfplantagen geerntet, 19 davon wurden groß und industriell betrieben. Auch die Stärke des berauschenden Krauts nimmt durch neue Züchtungen und künstliche Zusatzstoffe zu.
Um das besser in den Griff zu bekommen, setzt Deutschland auf eine Legalisierung des Cannabis-Handels, ein entsprechendes Gesetz wird noch heuer präsentiert. Auch der österreichische Verfassungsgerichtshof beschäftigt sich derzeit mit einem entsprechenden Begehren.
Karner hingegen beantwortete eine entsprechende Frage nur kurz: „Da bin ich dagegen.“
Neue Droge jede Woche
Ähnliche Zuwachsraten wie Cannabis haben synthetische Drogen, die vor allem in den Niederlanden produziert werden. 84 Kilo wurden sichergestellt. Diese Gruppe umfasst bereits über tausend Substanzen, etwa jede Woche kommt eine neue dazu.
Besorgniserregend ist jedenfalls die Entwicklung in Afghanistan, bisher bekannt vor allem für Haschisch und Heroin. Dort wurde ein pflanzliches Crystal Meth entwickelt. Dieses Ephedra-Kraut wurde von den Taliban forciert, um teure Medikamente zu sparen. Später stellte sich heraus, dass es der ideale Ersatz für Crystal Meth ist. Die Herstellungskosten betragen nur ein Zehntel, außerdem sind die Schmuggelrouten bereits vorhanden. Mittlerweile soll die Jahresproduktion bei mehr als tausend Tonnen liegen. Zum Vergleich: In Europa wurden lediglich zwei Tonnen davon sichergestellt.
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