Wenn Wiener ihr Wien herzeigen

Jonathan und die Gäste von der Fachhochschule Nordwestschweiz
Die Vienna Greeters spazieren mit Touristen durch das "echte" Wien

"Herzlich Willkommen in Wien. Mein Name ist Jonathan und das wird heute keine klassische Führung." Jonathan (44) ist ein Vienna Greeter und begrüßt an diesem Tag Joshua (27), Andrea (40), Patrizia (30), Susanne (38), Andreas (55) und Laura (34) von der Fachhochschule Nordwestschweiz. "Ich zeige euch heute mein Wien und das ist vor allem die Josefstadt."

Die Vienna Greeters sind ein loser Zusammenschluss von Menschen, die in Wien leben und Touristen gerne die Stadt – ihre Stadt – zeigen, abseits der Touristenpfade. Die Gruppe ist Teil des Global Greeter Networks, das es bereits in 93 Städten der Welt gibt. "Um das zu tun, muss man sich mit seiner Stadt identifizieren", sagt Jonathan. Bei ihm, dem Engländer, habe das länger gedauert. "Neun Jahre um genau zu sein", sagt Jonathan. Seitdem lebt der 44-Jährige in der Josefstadt, dem 8. Wiener Gemeindebezirk.

Ampelpärchen

Die Tour beginnt hinter dem Rathaus, bei der Landesgerichtsstraße; dort wo Jonathan, der mit dem Rad unterwegs war, auf einem Zebrastreifen von einem Auto angefahren wurde. "Das Wichtigste beim Ausfüllen des Unfallberichtes war dann, ob das im ersten oder im achten Bezirk war. Das ist typisch Wien." Denn der Unfall passierte genau an der Bezirksgrenze.

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Bildunterschrift
Schon beim Gang vom Rathaus in die Tulpengasse haben die Gäste aus der Schweiz die ersten wesentlichen Fragen: "Was habt ihr denn da für Ampelfiguren? Sind die queer?" – "Ja, seit dem Song Contest sind wir tolerant", sagt Jonathan. "Jööö", sagen die Schweizer. Susanne liegt aber noch eine andere Bitte am Herzen: "Jonathan, können wir bitte das mit dem Kaffee in Wien klären? Das mit dem Verlängerten und dem Kleinen Brauen?"

"Ooooh, das ist kompliziert", sagt Jonathan. Bevor er die Gäste in die komplexe Welt des Wiener Kaffees entführt, will er ihnen sein Grätzel zeigen. Über die Tulpen- und die Wickenburggasse geht es in die Florianigasse. Jonathan zeigt auf die Lokale in der Gasse. "Hier könnt ihr gut spanisch essen, hier kommen die Studenten hin (Café Merkur) und hier brät ein norwegischer IT-Manager Bio-Burger (I am Bio)". Danach geht es zum Bäckerkreuz, dem ältesten plastischen Denkmal in der Josefstadt, und von dort zu den Toiletteanlagen im Schönbornpark. "Die stehen unter Denkmalschutz und wurden um ungefähr 400.000 Euro saniert", erzählt Jonathan. Und die Truppe aus der Schweiz staunt nicht schlecht.

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Von dort geht es weiter in die Lange Gasse. "Kann man denn hier eigentlich auch gut wohnen oder ist das alles schickimicki?", fragt Andreas. "Wenn du für eine vierköpfige Familie etwas Leistbares suchst, ist es hier unmöglich", erzählt Jonathan. Aber er zeigt auf den nächsten Gemeindebau und erklärt, was es sich mit dem sozialen Wohnbau in Wien auf sich hat. "Das würde in der Schweiz nie gehen", sagt Susanne.

Kaffeepause

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"So!", ruft Jonathan, jetzt holen wir uns den besten Kaffee in Wien". Jonathan schleppt die Schweizer zu den Coffee Pirates in der Spitalgasse. Der Kaffee schmeckt, der Kuchen auch, auf dem Weg zur Piaristenkirche zeigt Jonathan einen romantischen Hinterhof: "Und das sind Pawlatschen. So nennt man Balkone in Wien", erklärt er. Es folgen "Aaahs" und "Oohs". Wien gefällt. Vom 8. geht es später in den 7. Bezirk und dann weiter in die Innenstadt, wo Jonathan die begeisterten Gäste entlässt.

Nur das mit dem Kaffee ist noch immer nicht ganz klar: "Bestellt einfach eine Melange, dann seid ihr auf der sicheren Seite."

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