Justizanstalten: Wegen Überfüllung geschlossen

Justizanstalten: Wegen Überfüllung geschlossen
Überbelegung im Gefängnis ist ein Dauerzustand geworden. Fußfesseln sollen Teil der Lösung sein

In der Justizanstalt Wien-Josefstadt ist Platz für 990 Insassen. Theoretisch. In der Praxis sieht es ganz anders aus: Aktuell sind dort 1148 Personen untergebracht – das entspricht einer Auslastung von 115,96 Prozent. Und das ist nicht der Höchststand – der betrug 1348 Insassen. Auch etliche andere Justizanstalten sind massiv überbelegt. Etwa Graz-Jakomini, Feldkirch oder Korneuburg. Unterm Strich sind in den 28 Justizanstalten des Landes 8742 Personen untergebracht.

Peter Hofkirchner arbeitet seit 39 Jahren in der Justizanstalt Josefstadt. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals keinen Überbelag hatten“, sagt er. Einzige Ausnahme: Die Fußball-EM 2008. Damals hatte man im Vorfeld – aus Angst vor gewaltbereiten Fans – etliche Insassen in andere Justizanstalten verlegt und Platz geschaffen. Letztlich umsonst; die Fans blieben friedlich.

Normaler Wahnsinn

„Natürlich kämpfen wir jeden Tag. Aber der Überbelag ist für uns zur Normalität geworden“, sagt Hofkirchner. Wenn es der Platz zulässt, werden in die Hafträume bei Bedarf zusätzliche Betten gestellt. Doch das ist nicht immer einfach. Mehrere Faktoren müssen bedacht werden: Sprache, Religion, eventuelle Komplizenschaften – und zum Teil auch Delikte; konkret betrifft das etwa Sexualstraftäter.

Insassen aus 70 Ländern sind in der Josefstadt untergebracht. Was hilft: Mitarbeiter, die selbst Migrationshintergrund haben. „Das deeskaliert in gewissen Situationen“, beschreibt Hofkirchner. Dennoch: Mehr Menschen bedeutet auch mehr Risiko, mehr Aufmerksamkeit, mehr Sicherheitsvorkehrungen.

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Herkunft und Anzahl der Häftlinge Österreichs

Mehr Fußfesseln

Justizminister Josef Moser sucht nach Lösungen – und sieht konkret zwei Möglichkeiten, um die Häftlingszahlen zu reduzieren. Zum einen soll die Fußfessel ausgeweitet werden. Mehr als 430 Personen waren im vergangenen Jänner im „elektronischen Hausarrest“. Bald sollen es deutlich mehr werden. Denn: Bis jetzt war eine Fußfessel nur möglich, wenn die zu verbüßende Strafe zwölf Monate nicht überstiegen hat. Künftig soll diese Regelung auf 24 Monate ausgeweitet werden. Ausgenommen davon sind Strafen wegen schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte.

Weiters soll auch die Verbüßung der Haft in der Heimat weiter forciert werden. Denn immerhin befinden sich Insassen aus 103 Nationen in den heimischen Gefängnissen. Die meisten ausländischen Häftlinge kommen übrigens aus Serbien (714 Personen, siehe auch Grafik oben). Im Vorjahr Jahr wurden laut Justizministerium 240 Ersuchen um Überstellung gestellt – der weit überwiegende Teil an Mitgliedstaaten der EU; letztlich konnten 142 Personen übergeben werden.

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Der  häufigere Einsatz der Fußfessel soll Häftlingszahlen reduzieren

Letzte Lösung: Neubau

Justiz-Gewerkschafter Martin Schöpf sieht das nur als Feigenblatt-Lösung: „Vielleicht werden diese Maßnahmen ein bisschen zur Entlastung beitragen. Aber es ist nicht die große Lösung – gleichzeitig wird ja auch das Strafrecht verschärft, mehr Leute werden eingesperrt.“

Mittelfristig sieht der Vorsitzende des Zentralausschusses im Justizministerium für die Justizwache nur eine Möglichkeit: „Wir werden nicht drum herumkommen, ein bis zwei neue Justizanstalten in Österreich zu bauen.“

 860 Einsatzstöcke und 122 Taser für Justizwache

Der Justizminister ist auf Einkaufstour: Wie aus einer parlamentarischen Anfrage hervorgeht,  wurden  für die Justizwache 860 Stück Teleskop-Einsatzstöcke  um 72.560 Euro angekauft. Weitere 1.000 Stück  um 88.000 Euro wurden bestellt. Außerdem  hat man 122 Stück vom „Taser X2“  im Wert von 151.557 Euro angekauft.  Der allerdings ist nicht für alle Justizwache-Beamten gedacht, sondern nur für speziell ausgebildete – darunter etwa die Einsatzgruppe, die in Akutfällen eingreift.

„Es ist höchste Zeit geworden, dass wir mit den Teleskopstöcken ausgerüstet werden. Die sind als Ersatz für den Gummiknüppel gedacht – und der gehört auf die Müllhalde der Geschichte“, sagt Gewerkschafter Schöpf.  Seit vielen Jahren sei der Ersatz angekündigt worden. „Aber das ist alles sehr schleppend gegangen.“ Er begrüßt auch den Ankauf der neuen Taser. „Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. Der Taser hat eine sehr hohe präventive Wirkung“, sagt Schöpf. Eingesetzt werden müsse er nur selten. „Aber wenn es Radau unter Häftlingen gibt, kann man  von einem Justizwachebeamten nicht immer verlangen, dass er dazwischen geht. Da bewirkt ein Taser, dass sich die Angelegenheit wieder beruhigt.“

3.200 Justizwache-Beamte sind derzeit im Einsatz. Noch nicht alle sind mit den neuen Stöcken  ausgerüstet. Pfefferspray allerdings  gehört zur Grundausstattung der Justizwachebediensteten.  Die Nachbeschaffung erfolgt im Vier-Jahres-Rhythmus.  Laut Justizministerium kostete die Nachbeschaffung der kleinen Pfeffersprays zuletzt 32.800 Euro,  die neuen „großen“ Pfeffersprays schlugen sich demnach mit 5.025 Euro zu Buche.  Geplant ist auch der Einsatz von Bodycams – in anderen Ländern wurden bereits gute Erfahrungen damit gemacht. Droht eine Situation zu eskalieren, können die Kameras aktiviert werden – das beruhigt die Situation und  dient gleichzeitig  der Beweissammlung. Bei der österreichischen  Polizei sind seit Ende März  die ersten 140 Bodycams  offiziell in Betrieb. Auch in der Justizwache will man  sie testen. Datum für einen Probebetrieb  gibt es allerdings noch keines.

 

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