Eindeutige Zahlen
Tatsächlich ist die Datenlage so erschöpfend wie eindeutig. Pro gefahrenem Kilometer reduziert sich der Verbrauch – und somit auch Kosten und CO2-Emissionen – eines Pkw bei Tempo 100 statt 130 um fast ein Viertel. Zugleich wird um ein Drittel weniger Feinstaub und um die Hälfte weniger Stickoxid emittiert (siehe Grafik unten).
Durch 30/80/100, höheren Kontrolldruck und höhere Strafen könnten die CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr so um neun Prozent oder 2,4 Millionen Tonnen gesenkt werden, wobei Tempo 100 den größten Anteil ausmacht.
Wenn es um die Verkehrssicherheit geht, dreht sich das Verhältnis um und Tempo 30/80 wird zum größeren Hebel, weil getrennte Spuren die Unfallwahrscheinlichkeit reduzieren.
Das zeigt sich auch in der Statistik: Nur neun Prozent der 369 Verkehrstoten im Jahr 2022 ließen ihr Leben auf Autobahnen und Schnellstraßen. Tempo 30/80/100 könnte so jedes Jahr 116 Leben retten und 7.000 Verletzte vermeiden.
Ein Rechenbeispiel macht das greifbar: Während ein Auto bei Tempo 100 nach 74 Metern steht, hat man bei Tempo 130 nach diesen 74 Metern noch 97 km/h auf dem Tacho.
Zudem senkt Tempo 100 statt 130 den Schallpegel um drei Dezibel; das entspricht einer wahrgenommenen Halbierung der Verkehrsmenge.
Weitere Effekte
Das ist aber noch lange nicht alles. Niedrigeres und dafür gleichmäßigeres Tempo erhöht die Leistungsfähigkeit von Straßen, womit einerseits Staus vermieden und andererseits über kurz oder lang Flächen frei würden.
Und gerade in der Stadt könnte eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit das Mobilitätsverhalten entscheidend verändern. Der Tempo-Unterschied zwischen Auto und Öffis bzw. Fahrrad würde weitgehend verschwinden, wodurch die Alternativen zum Auto – inklusive zu Fuß gehen – vergleichsweise attraktiver werden.
Mittelfristig könnten sogar die vielfach verödeten Ortszentren wieder verdichtet und belebt werden – Stichwort „Stadt der kurzen Wege“.
Und apropos Öffis: Eine exemplarische Studie der TU Wien zeigt, dass der Zeitverlust durch Tempo 30 durch konsequente Beschleunigungsmaßnahmen wie Vorrang an Kreuzungen sogar überkompensiert werden könnte.
Zeitverlust überschaubar
Bleibt die Frage nach dem Zeitverlust für diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind. Und der hält sich in Grenzen: Die durchschnittliche Freiland-Autofahrt dauert aktuell ungefähr 17 Minuten und würde um 3 Minuten länger werden. Innerorts würde sich in der Praxis kaum etwas ändern.
Trotz all dieser klaren Vorteile stehen die Chancen für Tempo 30/80/100 hierzulande schlecht. Zu unbeliebt ist das heiße Eisen, 65 Prozent sprachen sich in einer Umfrage im Herbst gegen Tempo 100 aus.
Zwar stieg die Zustimmung zu niedrigeren Tempolimits in der Schweiz und in Frankreich nach der Einführung deutlich an, dennoch spricht sich hierzulande außer den Grünen niemand dafür aus. Mangels parlamentarischer Mehrheit bleibt daher auch deren Klimaschutzministerin Leonore Gewessler nichts anders übrig, als an die Menschen zu appellieren, freiwillig langsamer zu fahren.
Dabei ist jeder Tag ohne die Umsetzung dieser Maßnahme aus wissenschaftlicher Sicht ein verlorener, machte die Zunahme der CO2-Emissionen im Verkehr 2022 doch den Rückgang in allen anderen Sektoren zunichte. Es gibt keine niedriger hängende Frucht zu pflücken, um hier gegenzusteuern.
Das konstatiert auch die Forschungsgesellschaft Straße Schiene Verkehr: geringe Implementierungskosten, großer gesamtwirtschaftlicher Nutzen, keine messbare Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit.
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