Tausende Österreicher kriminalisiert
Das deaktivierte Sturmgewehr an der Wand in der Kellerbar ist mit Stichtag Donnerstag eine Bedrohung für den Besitzer. Denn ab sofort gelten diese schießunfähigen Prügel, die großteils sogar vom Bundesheer stammen, wieder als „Kriegsmaterial“ – wenn ein kleiner Stempel fehlt. Grob geschätzt dürften bis zu 20.000 Deko-Exemplare betroffen sein. Der Strafrahmen für die Besitzer reicht bis zu zwei Jahren Haft, zusätzlich droht der Verlust aller waffenrechtlicher Dokumente.
Posthornton
Diese Verordnung negiert die jahrzehntelange Demilitarisierungspraxis des Verteidigungsministeriums. Bisher hatte es gereicht, die Läufe und Verschlüsse aufzufräsen und teilweise zu verschweißen. Eingriffe, die nach Meinung von Waffenexperten, wie Ingo Wieser, nicht mehr repariert werden können. Solche Waffen wurden in großer Zahl unters Volk gebracht. Etwa als Ehrengaben für verdiente Politiker oder Repräsentanten von Partnerfirmen. Soldaten kauften sie als Andenken. Und zu Tausenden wurden sie an Firmen und ganz normale Zivilisten verkauft, darunter auch Prominente aus Politik und Medien. Dazu kommt aber noch der Handel, der aus anderen Beständen nach den Heeres-Vorschriften eine große Szene von Deko-Waffensammlern bediente.
Georg Zakrajsek, Chef der Waffenlobby IWÖ, ist fassungslos. Wer den Stichtag übersehen hat, dürfe nun das Sturmgewehr gar nicht mehr von der Wand nehmen – weil ein Zivilist Kriegsmaterial nicht angreifen darf. Der Besitzer sei nun genötigt, die Polizei zu verständigen, die dann den inkriminierten Gegenstand von der Wand nehmen muss. Zakrajsek: „Die Art und Weise, wie hier völlig unbescholtene Bürger kriminalisiert werden, ist unbeschreiblich.“
Strafkatalog
Ähnlich sieht es Volksanwalt Peter Fichtenbauer: „Das ist eine empörende, legistische Fehlleistung des Parlaments.“ Fichtenbauer kann nicht verstehen, dass man wegen „militärisch sinnloser Eisenstücke“ mit dem vollen Strafkatalog gegen gesetzestreue Bürger vorgehen möchte. Bei ÖVP und SPÖ sieht man hingegen nach der langen Übergangsfrist keinen weiteren Handlungsbedarf.
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