Vorarlberg soll in Volksabstimmung über Volksabstimmungen abstimmen

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Bürger brachten in 31 Gemeinden gleichlautende Anträge auf Durchführung einer Volksabstimmung ein.

In Vorarlberg könnte bald eine Volksabstimmung über das Volksabstimmen stattfinden. Nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) erklärte, eine Gemeindevertretung könne nicht gegen ihren Willen durch eine Volksabstimmung an eine Entscheidung gebunden werden und Teile der Vorarlberger Gesetze als verfassungswidrig aufhob, wollen Bürger nun mit der Aktion "Volksabstimmen über Volksabstimmen" für den Erhalt des Volksabstimmungs-Initiativrechts kämpfen.

Anlass für die Entscheidung des VfGH im Oktober 2020 war die Volksabstimmung in Ludesch (Bez. Bludenz) im November 2019. Dabei ging es um die Flächen-Umwidmung zur Expansion des Fruchtsaftherstellers Rauch, die von der Bevölkerung abgelehnt wurde. Einige Grundeigentümer verlangten die Aufhebung dieser Volksabstimmung. Der VfGH folgte diesem Ansuchen, weil das Vorarlberger Gemeindegesetz in seinen Augen gegen den Grundsatz der repräsentativen Demokratie verstößt. Im Landes-Volksabstimmungsgesetz ist derzeit vorgesehen, dass eine derartige Entscheidung des Volkes die Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans ersetzt. Ein solches Modell aber widerspreche "dem repräsentativ-demokratischen System der Gemeindeselbstverwaltung".

"Initiative Ludesch"

Der Vorarlberger Landtag hat eine Frist bis 31. Dezember 2021, die Gesetze zu "reparieren". Die Landesregierung hat deshalb eine Sammelnovelle erarbeitet, die bis 5. März in Begutachtung war. Wird die Regierungsvorlage beschlossen, wäre eine Zuweisung an den Landtag frühestens im April möglich, ein Beschluss könnte im Mai-Landtag erfolgen. Die Reparatur betrifft auch die Volksbefragungen, da in den Gesetzen dazu auf Bestimmungen bei den Volksabstimmungen verwiesen wird; diese Verweise gingen ohne Reparatur ins Leere. Für eine generelle Änderung hin zum Erhalt des Initiativrechts der Bürger wäre aber eine Verfassungsänderung des Bundes nötig.

In 31 der 96 Vorarlberger Gemeinden haben am Donnerstag nach einer Idee der "Initiative Ludesch" Bürger die Frist bis Jahresende genutzt, um "mit großer demokratischer Selbstverständlichkeit, das zu tun, was nach Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofs nicht verfassungskonform" ist. Sie stellten im Rahmen der Aktion "Volksabstimmen über Volksabstimmen" gleichlautende Anträge auf Durchführung einer Volksabstimmung. Es gehe "um unser zutiefst demokratisches und bürgerliches Recht, verbindliche Volksabstimmungen auf Gemeindeebene veranlassen zu können", erläuterte Christoph Aigner als Sprecher. Es liege an den Bürgern, diese Selbstverständlichkeit zurückzufordern.

"Realpolitisch weniger gute Aussichten auf Erfolg"

Sowohl die Vorarlberger Nationalratsabgeordneten der Opposition als auch der Vorarlberger Landtag hätten Verfassungsänderungen gefordert. "Das sind gute Initiativen, für die realpolitisch weniger gute Aussichten auf Erfolg bestehen", so Aigner. Dem wolle man mit den Bürgeranträgen Nachdruck verleihen, ebenso wie mit einem gemeinsamen Schreiben möglichst vieler Vorarlberger Gemeinden an den Nationalrat und die Bundesregierung. Die Initiative verstehe sich parteiunabhängig und -übergreifend.

Ziel sei es, mindestens zehn Gemeindevertretungsbeschlüsse für eine landesweite Volksabstimmung über genau den Gesetzesbeschluss des Landtags, mit dem das bürgerliche Initiativrecht abgeschafft wird, zu erreichen. "Damit delegiert der Landtag die Entscheidung an die Bürger. Sie sind der Souverän", erklärte Aigner. Die Frage im Volksabstimmungsantrag lautet: "Soll die Gemeindevertretung sich auf sämtlichen politischen Ebenen dafür einsetzen, dass von Bürgerinnen und Bürgern erwirkte und verbindliche Volksabstimmungen auf Gemeindeebene möglich sind?"

Falls die Volksabstimmung dann pro Erhalt des bürgerlichen Initiativrechts ausgehe, werde ein Präzedenzfall geschaffen, anhand dem das Verhältnis der beiden grundlegenden demokratischen Elemente, das direkt demokratische und das repräsentativ demokratische, zueinander in der Bundesverfassung diskutiert und entschieden werden müssten. Die Gemeindewahlbehörden hätten nun vier Wochen Zeit, um über die Gültigkeit der Anträge zu entscheiden. Bis dahin wolle man Anträge in möglichst vielen weiteren Gemeinden einbringen.

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