„Wenn die mittelalterliche Schulmedizin und das Wissen der Mönche und Heilerinnen über Heilkräuter an ihre Grenzen stießen, vermutete man einen dämonischen Ursprung“, erklärt Simek.
„Heute ist das psychiatrische Wissen natürlich ein ganz anderes. Aber früher dachte man zum Beispiel, ein Massenmörder sei besessen und mithilfe der Gottesmutter könne man die Dämonen austreiben.“
Alltägliches Unheil
Für allerlei Unheil, von der Kleinen Eiszeit bis zur Beulenpest, machte man also Dämonen oder Teufel verantwortlich. Ein Gemälde im Kloster Rila in Bulgarien, das auch in Simeks Buch zu sehen ist, illustriert ihr allumfassendes Übeltätertum.
„Ein Dämon vergiftet die Speise eines armen Mannes, indem er hineingackt. Ein anderer quält einen Kranken. Und ein Weiterer will einen Unfall verursachen, indem er den Stift aus der Achse des Wagens löst, mit dem der Kranke transportiert wird“, beschreibt Simek. (Vielleicht müssen Sie daran denken, wenn sie das nächste Mal den Pannendienst rufen.)
Einige der damaligen Vorstellungen haben in unserer Alltagssprache bis heute überlebt. Womit wir wieder beim Druckfehlerteufel wären: „Wenn er die Verbreitung von Gottes Wort schon nicht verhindern konnte, wollte er die Mönche beim Abschreiben der Texte zumindest dazu bringen, Fehler zu machen“, erklärt Simek.
Oder die Redensart, etwas gehe „auf keine Kuhhaut“: Früher gab es die Vorstellung eines Sündenregisters, in dem alle Verfehlungen, etwa das Tratschen in der Kirche, aufgeschrieben wurden.
„Daher gab es die Vorstellung eines Schreibteufels, der das ,Blablabla’ der Frauen aus der Kirche aufschrieb. Wenn zu viel ,Blablabla’ geredet wurde, ist die Kuhhaut zu klein geworden, um alles aufzuschreiben“, erklärt Simek. Ein steinerner, schreibender Dämon ist übrigens am Westportal der Stiftskirche in Millstatt zu sehen.
Von Alben und Elfen
Ebenso findet sich das Albdrücken und der Albtraum bis heute im Sprachgebrauch. Die alte Schreibweise „Alptraum“ war irreführend, da der Begriff nichts mit den Alpen zu tun hat, sondern von „Alben“ oder „Elben“ kommt: Dämonen, die Druck auf der Brust und somit schlechte Träume verursachen.
„Im Skandinavischen hießen sie ,álfar’, was dann im Englischen zu ,elf’ wurde. Die wir wiederum von Shakespeare als sympathische Gesellen kennen, die halt ein wenig Unsinn machen“, erklärt Simek. Die bösen Alben und die niedlicheren Elfen sind also desselben Ursprungs.
Ein weiteres Relikt ist der Hexenschuss: „Wobei die Hexe ein neuzeitliches Phänomen ist“, betont Simek. „Oft ist die Rede von den Hexen im Mittelalter, dabei gab diese als Massenphänomen damals noch nicht.“ So war in älteren Schriften nur von „Hexern“ die Rede.
In seinem neuen Buch nimmt Simek die Leser jedenfalls mit auf eine Reise in die Glaubenswelt des Mittelalters. Mithilfe alter Quellen und Bilder beschreibt er, woher der Glaube an Dämonen, Teufel und Hexen kam und wie man diese vertreiben wollte.
„Erst im 20. Jahrhundert kam es zu diesem Tabu, dass das Böse keinen Platz mehr haben darf“, schildert Simek. „Dämonen werden aber oft in der Bibel erwähnt, Jesus treibt zahlreiche von ihnen aus. Mein Großvater hat das in Predigten in den 1930er-Jahren noch gehört – aber heute kommt das nicht mehr vor.“
Warum das so ist? „Ich vermute, dass man nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 60er-Jahren volksnäher und gütiger sein wollte.“
Wobei sich, wie Simek vermutet, so mancher Aberglaube länger gehalten habe. „Oft konnte man nicht anders erklären, warum der eigene Weingarten vom Hagel zerstört wurde, und der des Nachbarn nicht.“ Und erst kürzlich habe er gesehen, wie eine alte Frau in der Kirche in Gmunden eine Hostie nicht verzehren, sondern mitnehmen wollte: Wohl um sie mit auf das Feld zu nehmen, um Unheil fernzuhalten.
So ganz lassen sich die Dämonen also nicht aus dem Alltag vertreiben, nicht nur im Sprachgebrauch. (Und wir hoffen, dass sich der Druckfehlerteufel in diesen Text nicht eingeschlichen hat.)
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