Volkszorn trifft die Justiz: Immer mehr heikle Verfahren mit jungen Tätern

Volkszorn trifft die Justiz: Immer mehr heikle Verfahren mit jungen Tätern
Gerichtsfälle mit Minderjährigen bei Raub und Sexualstraftaten nehmen zu.

Junge Burschen, gerade erst 14 Jahre alt geworden, die schon vor dem Richter sitzen. Nicht wegen kleiner Diebstähle, sondern wegen Raubes oder Sexualdelikten.

Es ist keine Einbildung, dass die Verdächtigen in derartigen Fällen immer häufiger Minderjährige sind. Es deckt sich mit der Realität der Jugendrichter – zumindest in Wien. Doch das junge Alter trifft nicht nur auf die Täter zu, sondern auch auf die Opfer.

Während am Mittwoch im Landesgericht für Strafsachen wegen Vergewaltigung zweier Mädchen im Alter von 14 und 15 Jahren verhandelt wird, berichten ein Stockwerk tiefer Experten über den Umgang mit derartigen Fällen, über den nötigen Opfer- und Täterschutz. Aber auch über Attacken auf die Justiz, wenn das Urteil in der Öffentlichkeit auf wenig Verständnis stößt – wie zuletzt nach dem Freispruch in einem Prozess wegen Vergewaltigung einer 12-Jährigen. Daraufhin wurde die Richterin in sozialen Medien beschimpft und bedroht.

„Wir können junge Täter nicht ewig wegsperren.“

von Daniel Rechenmacher

Jugendrichter

Auch der aktuelle Vergewaltigungsprozess hat das Potenzial, öffentliche Emotionen zu wecken. Die Mädchen wurden laut Anklage im vergangenen Oktober von zwei algerischen Asylwerbern – in diesem Fall handelt es sich nicht um Minderjährige – in ein leer stehendes Haus in Wien-Brigittenau gelockt, dort unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. „Das stimmt überhaupt nicht. Wir haben Musik gehört, Drogen konsumiert und getanzt“, sagt der 32-jährige Angeklagte. Es sei freiwillig zu sexuellen Handlungen gekommen.

Bei den Mädchen, die den Polizei-Notruf wählten, wurden allerdings auch Würgemale und Hämatome festgestellt. Der Prozess wurde auf Mai vertagt, das Gericht will unter anderem Tiktok-Videos aus der Tatnacht sichten.

Haft bei Jugendlichen als letztes Mittel

Die Berichterstattung in derartigen Fällen ist immer sensibel. „Wir sind da in einem Dilemma“, beschreibt es Hedwig Wölfl, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der Österreichischen Kinderschutzzentren. „Zum einen braucht es die Medien für die Sensibilisierung in solchen Fällen. Aber es geht auch um den Schutz der Intimsphäre der Betroffenen.“ Detaillierte Berichte würden zu einer Beschämung der Opfer führen. „Man darf derartige Fälle weder bagatellisieren, noch aufbauschen.“ Ein Anprangern der Täter sei nicht hilfreich.

Dass Freisprüche oder milde Strafen immer wieder den Volkszorn anheizen, geht auch an den Richtern nicht spurlos vorbei. „Aber wir können junge Täter nicht ewig wegsperren. Es geht darum: Wie vermeide ich erneute Straftaten und wie integriere ich sie wieder in die Gesellschaft“, sagt Jugendrichter Daniel Rechenmacher. Man könne jungen Tätern wegen eines Fehlers nicht das gesamte Leben verbauen. „Haft ist bei Jugendlichen das letzte Mittel.“

Übrigens: Die heftigen Anfeindungen der Richterin nach dem Freispruch beim Vergewaltigungsprozess einer Zwölfjährigen haben nun auch rechtliche Konsequenzen. Besonders bedenkliche und herabwürdigende Postings wurden registriert, erste rechtliche Schritte bereits eingeleitet.

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