Volkshilfe fordert Kampf gegen Kinderarmut

In Österreich sind 268.000 Kinder und Jugendliche armutsgefährdet. Besonders prekär ist die Situation in Wien.

In Österreich sind 268.000 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre armutsgefährdet. Anlässlich des Internationalen Tags gegen Armut am 17. Oktober fordert die Volkshilfe Österreich von der künftigen Bundesregierung den Kampf gegen Kinderarmut als Leitlinie.

"Österreich hat Nachholbedarf, was die Wahrnehmung von Kinderbedürfnissen betrifft", sagte Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich, bei der Präsentation einer Studie zum Thema Kinderarmut, die in Zusammenarbeit mit der Sozialökonomischen Forschungsstelle durchgeführt wurde, am Mittwoch. Die Diakonie forderte in einer Aussendung den Ausbau präventiver Hilfen.

Mit einer Quote von 15 Prozent ist die Armutsgefährdungsquote von Kindern höher als die der Gesamtbevölkerung (13 Prozent). Jedes vierte Kind könne nicht auf Urlaub fahren und mehr als jedes zehnte Kind aufgrund von schlechten Wohnverhältnissen keine Freunde zu sich einladen, so Fenninger.

Ost-West-Gefälle

In Wien sind laut dem EU-Sozialbericht SILC 2011 fast ein Drittel (28 Prozent) der Kinder und Jugendlichen armutsgefährdet, in Vorarlberg ist der Anteil mit sieben Prozent am niedrigsten. Als Schwelle für die Armutsgefährdung gilt ein Haushaltseinkommen von 1.066 Euro (zwölf Monate) für Alleinlebende (pro Kind werden 320 Euro dazugezählt, pro weiterem Erwachsenen 533 Euro).

Volkshilfe fordert Kampf gegen Kinderarmut
BILD zu OTS - Im Bild: Anlässlich des "Tag gegen Armut" präsentieren die Volkshilfe und die Sozialökonomische Forschungsstelle die Ergebnisse einer neuen Studie über Kinderarmut in Österreich: (v.l.) Andrea Reisinger (Sozialökonomische Forschungsstelle), Erich Fenninger (Volkshilfe Österreich), Tom Schmid (Sozialökonomische Forschungsstelle), Sonja Faltin (Sozialökonomische Forschungsstelle).

Alleinerzieher-Haushalte, kinderreiche Haushalte und Kinder aus Zuwandererfamilien sind deutlich stärker von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Kinder, die in Armut aufwachsen, sind öfter krank und ihre emotionale und kognitive Entwicklung ist oft verzögert. Sie verletzen sich häufiger, haben mehr Infektionskrankheiten, ernähren sich ungesünder und bewegen sich weniger, erklärte Verena Fabris, Vertreterin der Volkshilfe in der Österreichischen Armutskonferenz.

"Armut ist nicht nur auf das Geldbörsl bezogen", betonte Fenninger, viele Lebensreiche des Kindes würden umfasst. Auch der familiäre Zusammenhalt in Familien, die von Armut betroffen sind, sei etwa eklatant schlechter als in Familien, bei denen Geld keine Rolle spielt.

Richtsätze

Die Volkshilfe fordere unter anderem die Erhöhung der Richtsätze in der bedarfsorientierten Mindestsicherung, die gemeinsame Schule der zehn- bis 14-Jährigen, "um der frühen Selektion entgegen zu wirken" und eine Erhöhung des Budgets für Kinder- und Jugendhilfe, so Fenninger. Außerdem müsse die Forschung und Berichterstattung das Kind stärker als Individuum wahrnehmen und Politik gegen Kinderarmut dürfe nicht nur aus anderen Politikzielen abgeleitet werden.

Im EU-Durchschnitt (20 Prozent) liege Österreich mit der Quote von 15 Prozent noch relativ gut, so Fabris. Seit 2005 sei die Armutsgefährdungsquote von Kindern annähernd konstant geblieben.

Die Diakonie Österreich sprach sich in einer Aussendung für präventive Hilfen für Familien aus. Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich, forderte den Ausbau sogenannter "Früher Hilfen", beginnend rund um die Geburt und in den Baby- und Kleinkindjahren, sowie Investition in die Elementarpädagogik.

Volkshilfe fordert Kampf gegen Kinderarmut

Andrea, Maria, Henry und Bruno wuseln die Stufen vom Garten rauf in einen der Gruppenräume des Kindergartens im MuseumsQuartier. Hier helfen sie Christian und Walter beim Einräumen von Kindergewand in den 19. und letzten großen Sack.
Socken, Pullover, Leiberln, T-Shirts, Jacken… - 250 solcher großen Säcken haben Kinder (Eltern, Pädagog_innen und Bekannte) in den vergangenen Wochen gesammelt.


„Wofür ist denn das ganze Gewand?“ Diese Frage beantworten die genannten helfenden Kinder – stellvertretend für ihre Kolleginnen und Kollegen fast wie im Chor: „Für arme Kinder!“ Denn, „Kinderarmut ist kein Märchen“ (leider!).

Vier Mal Maracanã-Stadion

Volkshilfe fordert Kampf gegen Kinderarmut
Vor dem „internationalen Tag zur Beseitigung der Armut“ und der Vorstellung einer neuen wissenschaftlichen Studie über Kinderarmut ludenKinderfreundeund Volkshilfe in den genannten Wiener Kindergarten. Stellvertretend zeigten ein paar Kinder und die beiden Vertreter der Organisationen eines der Beispiele, wie sie konkret helfen - mit Kindergewand.

Immerhin sind allein in Wien 99.000 Kinder (doppelt so viele wie im Ernst-Happel-Stadion Platz hätten) von Armut ganz akut betroffen oder gefährdet. In ganz Österreich sind es fast 300.000 (also mehr als vier Mal so viel wie das neue Maracanã-Stadion in Brasilien fasst). Von den in Österreich lebenden Kindern und Jugendlichen ist das immerhin fast jedes/jeder Fünfte.

Und das heißt oft genug: Nicht genügend warmes Gewand. Oder bei jedem Ausflug oder anderen Schulaktivitäten drei Mal checken, ob der drin ist. Oft genug bleibt im Winter die Wohnung kalt, es gibt in diesen Haushalten auch häufig weniger gesunde Lebensmittel. Und Urlaub ist da meist für die gesamte Kindheit/Jugend eines der unbekanntesten Fremdwörter. Gar jedes 10. Kind lebt in einem Haushalt, in den nicht einmal im Monat Freunde oder Verwandte eingeladen werden können. (Alle Zahlen aus. EU SILC, European Union Statistics on Income and Living Conditions, 2011)

Bilder von der Sammelaktion:

Volkshilfe fordert Kampf gegen Kinderarmut

Kinderarmut_Kleidersammlung
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Viele kleine Hände ...

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Die Sammlung von Kleidungsstücken ist aber nicht nur eine Hilfe für betroffene Familien, sie ist auch ein bewusstes Lernziel in den Kinderfreunde-Kindergärten. Solidarität, ein Wert der ohnehin eher unter die Räder zu kommen scheint, wird vermittelt – mit konkreter Hilfe, denn wie ein afrikanisches Sprichwort besagt: „Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.“

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