Verschwinden der Schilfschneider

Die Arbeit wird für Schilfschneider weniger
Billigkonkurrenz und mildes Klima machen zu schaffen / Auch viele Wintergänse bleiben fern.

Das Warten auf eine Eisdecke war heuer vergeblich. Das Wetter war zu mild, als dass der Steppensee zufrieren hätte können. Nicht nur die Eisläufer haben diesen Winter keine freie Fahrt am Neusiedler See. "Auch für uns ist das Wetter nicht ideal", sagt Erwin Sumalowitsch. Er zählt zu den wenigen Schilfschneidern, die es hier noch gibt.

Seit 25 Jahren schneidet er am Ostufer des Neusiedler Sees die braunen Halme. Auf einer zugefrorenen Eisdecke tut sich der Schilfschneider mit seinem Kettenfahrzeug leichter. Ob er nächstes Jahr noch ernten werde, sei aber ohnehin fraglich, erklärt Sumalowitsch.

Schuld allein sei aber nicht das mildere Klima. "Wir können das Schilf nicht mehr vermarkten." Keine einzige Anfrage habe er heuer gehabt. Geschnitten hat er das Schilf trotzdem. Falls jemand doch noch Bedarf anmelde. Es sei die Konkurrenz aus China, die den Schilfschneider zusetzt.

Vierzehn große Betriebe habe es vor 25 Jahren gegeben. "Heute sind wir nicht einmal mehr eine Handvoll", sagt der 61-Jährige. Zu seinen Abnehmern gehören vor allem Kunden aus Holland und Norddeutschland.

Bisher haben sie ihre Reetdächer mit dem Schilf vom Neusiedler See gedeckt. Doch jetzt sei die billigere Importware aus China gefragt, sagt Sumalowitsch. "Wir können mit dem Preis nicht mithalten." Rund 1,60 Euro bekommt er für einen Bund Schilf – ein Bund ist etwa zwei Meter hoch und hat 60 Zentimeter Umfang. Der Preis sei seit zehn Jahren gleich. Mit den Transportkosten zahle der Abnehmer für das pannonische Schilf etwa doppelt so viel wie für die chinesischen Produkte, rechnet Sumalowitsch vor. "Wenn sich nichts tut, ist es nächstes Jahr mit dem Schilf vorbei."

Salzlacken

Das Einstellen des Schilfschneidens, die geringe Niederschlagsmenge und der niedrige Grundwasserspiegel setzen wiederum den Salzlacken zu. Die rund 40 bis 45 Lacken, die sich zwischen dem Ostufer und dem Hanság befinden, prägen den Charakter des Seewinkels. "Wenn das Schilf nicht geschnitten wird, wird das unter anderem eine Gefahr für die Lacken", sagt Nationalpark-Direktor Johannes Ehrenfeldner. Die Salzlacken drohen auszutrocknen. Eine Verschilfung bedeute auch eine Bedrohung für den Lebensraum jener Tiere, die eine freie Landschaft brauchen.

Paradies für "Birder"

Jahrzehntelang hatte sich der Neusiedler See als Naherholungsgebiet einen Namen gemacht. Seit einem Werbeslogan von 1920 wurde er "Meer der Wiener" genannt. Seit vor 25 Jahren (Infos zum Jubiläumsprogramm finden Sie im Kasten unten) der Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel gegründet wurde, hat sich das 300 Quadratkilometer große Schutzgebiet bei Wissenschaftlern einen Namen gemacht. Mit entsprechender Infrastruktur und einem Ganzjahresprogramm gilt der Nationalpark heute als eine der besten Destinationen für Birdwatcher. Bis zu 4000 Vogelbeobachter aus dem In- und Ausland, darunter Naturfotografen und (Hobby-)Ornithologen, kommen jährlich. Die "Birder" wollen sich von der Artenvielfalt am Schnittpunkt zwischen Alpen und Tiefebene überzeugen.

Etwa 350 Vogelarten gibt es zu beobachten, erklärt Harald Grabenhofer, Leiter der Abteilung Monitoring, Forschung und Citizen Science im Nationalpark. Aber auch in der Vogelwelt sind Veränderungen bemerkbar. "Das betrifft vor allem die Artenzusammensetzung", sagt Grabenhofer. Am Samstag hat er gemeinsam mit Ornithologen die Wintergänse gezählt. Während in den vergangenen Wintern zwischen 30.000 und 50.000 Gänse rund um den Neusiedler See – auf österreichischer und ungarischer Seite – zu beobachten waren, seien es heuer deutlich weniger. Vor allem bei den sonst so zahlreich anwesenden Blässgänsen sei vermutlich aufgrund des milden Winters ein Rückgang bemerkbar. Der Grund für den Rückgang sei, dass die Lebensbedingungen für die Gänse im Norden Europas durchaus gut seien.

Das Programm

Sieben Gemeinden haben Anteil am Nationalpark, in allen Gemeinden wird zum 25-jährigen Jubiläum gefeiert. Start ist am 13. April in Podersdorf, wo der Auftakt zur 9. Pannonian Bird Experience stattfindet. Am 26. Mai gibt es ab Tadten eine grenzüberschreitende Fahrradtour. Am 20. Juni feiert das Land in Andau. Am 16. September ist ein Familienfest in Apetlon und Illmitz geplant. Am 19. Oktober ist in Neusiedl/See ein Vortrag über den Landschaftswandel geplant, am 23. November geht es in Weiden um den Ökotourismus.

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