Verkehrspsychologin: „Das Auto als verlängertes Ich“
KURIER: In den vergangenen Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, das Thema Auto wird weniger wichtig. In Großstädten machen immer weniger Jugendliche den Führerschein. Jetzt zeigt sich: Die Pandemie bringt ein Auto-Comeback. Sehen wir hier eine Trendwende?
Bettina Schützhofer: Kurzfristig ja, mittelfristig nicht. Die Öffis werden ihr Image der sicheren, hippen Verkehrsmittel zurückbekommen. Dennoch: Dass immer weniger Jugendliche den Führerschein machen, ist ein städtisches Phänomen. Am Land gibt es so viele Autos wie noch nie, das zeigen die Zulassungszahlen des letzten Jahres. Und auch in der Stadt machen junge Menschen weiterhin den Führerschein. Aber das Alter verschiebt sich nach hinten. Spätestens, wenn man langsam an Familie denkt, wird das nachgeholt.
Was braucht es, um die Menschen in der Stadt zurück in die Öffis zu bringen? Angebot, Preis oder Bequemlichkeit?
Der Preis ist in Wien schon sehr günstig, das kann kein Argument mehr sein. Jetzt zählt das Gefühl der Sicherheit. Man muss den Menschen die Angst vor potenzieller Ansteckung nehmen. Etwa, in dem man darauf hinweist, wie oft desinfiziert wird. Darüber hinaus ist die Bequemlichkeit das stärkste Argument für Öffis. Man sieht das sehr gut am Zugangebot. Auf der Weststrecke etwa passt das gut. Sie ist zeitlich unschlagbar, und das Internet funktioniert. Was Wien betrifft: Wenn die Intervalle verdichtet werden und ich keinen Parkplatz suchen muss, dann gibt es nicht mehr viele Argumente für das Auto. Zuletzt hatten die Menschen große Angst vor Ansteckung in den Öffis, und es wurde von der Politik auch so kommuniziert, dass der öffentliche Verkehr aufrecht bleibt für diejenigen, die kein Auto haben. Das war eine implizite Aufforderung, mit dem Auto zu fahren. Jetzt ist es Zeit, den Trend wieder umzukehren.
Nicht nur der Auto-, auch der Radverkehr hat jetzt stark zugenommen. Zwei Gruppen, die oft Probleme miteinander haben. Warum eigentlich?
In Österreich wurden Straßen jahrzehntelang in erster Linie für Autos gebaut. Jetzt gibt es ein Umdenken, aber ein lang einstudiertes Verhalten zu ändern, dauert. Dazu kommt: Im Auto ist man gefühlt anonym und das scheinbare Vorrecht gewöhnt. Es braucht ein Umdenken, dass der Raum für alle da ist. Viele haben eine selektive Wahrnehmung, was die Undiszipliniertheit der anderen betrifft. Und ganz objektiv gesagt, ist auch die Infrastruktur oft suboptimal. Die bauliche Verschränkung von Radfahrern und Fußgängern ist schlecht, und so lange so viele Radwege zu schmal sind, wird es immer wieder zu Konflikten kommen.
Warum ist Verkehr überhaupt so ein emotionales Thema?
Weil jeder gerne schnell ans Ziel kommen möchte, und zwar ungehemmt. Deswegen werden viele im Stau so aggressiv. Das ist eine Behinderung, die viele persönlich nehmen. Wer ein Fahrzeug steuert, lenkt – und in diesem Erlebnis von Kompetenz möchte man sich nicht behindern lassen.
Warum geht die Politik das Thema Verteilung des Straßenraumes nicht mutiger an?
Die Autoindustrie ist nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftszweig, und das Auto gilt noch immer als Statussymbol und drückt einen bestimmten Lebensstil aus. In manchen Wiener Bezirken ist das auch mittlerweile auch mit dem Rad so.
Früher haben Menschen, wenn sie ihr Auto gesucht haben, oft gefragt: „Wo stehe ich?“ Sie haben ihr Auto als verlängertes Ich erlebt. Ist das heute noch so?
Auch da gibt es zwei Trends: Bei jungen Städtern gibt es eine Tendenz zu einer nüchternen Herangehensweise an das Thema Auto – als Mittel zum Zweck mit Angeboten wie Carsharing, etc. Aber nachdem der Öffi-Verkehr nicht überall so gut aus gebaut ist, ist das Auto für viele nach wie vor verlängertes Ich. Eine Art zweites Wohnzimmer, wo man alles, was man braucht, immer dabei hat.
Viele erleben ihr „Recht auf's Auto“ so, als wäre man weniger Bürger, wenn man kein Auto hat. Sehen Sie das aus verkehrspsychologischer Sicht auch so?
Ich glaube eher, dass es um das Recht auf individuelle Mobilität geht. Das ist leider oft mit dem Auto verknüpft. Man müsste das auf grundsätzliche Mobilität ausweiten. In Wien geht das, aber im Burgenland etwa schaut es schlecht aus. Das ist auch ein Problem der Zersiedelung, der Raumwidmung und der Raumplanung. Wenn man abgeschieden wohnt, dann sind öffentliche Verkehrsmittel, Rad oder Moped niemals eine Alternative.
Autodesign wirkt immer martialischer, nicht nur SUVs muten oft wie Panzer an. Welche Sinne werden damit angesprochen?
Das ist von der Marktforschung gut untersucht. Offensichtlich gefällt vielen Menschen dieser Gedanke: Mein Auto – meine sichere Büchse. Sportlich und männlich. Man braucht ja nur auf die Autowerbung achten: Der Autokauf wird mit Leistung, Coolness, Abenteuertum verknüpft. All das kauft man mit.
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