Vergoldeter Grundstücksdeal: Polit-Streit um Immobilien-Projekt
„Mit der Befürwortung des Bauprojekts in der Innstraße 115 wird ein überdimensioniertes Großprojekt gutgeheißen, das Bauland-Spekulationen und Teuerungen am Wohnungsmarkt weiter befeuert – und nicht zuletzt ein charakteristisches Ensemble zerstört.“
Dieses vernichtende Urteil zu einem am Rande von St. Nikolaus, dem ältesten Stadtteil Innsbrucks, geplanten Bauprojekt kommt nicht von politischen Gegnern des Vorhabens, das ohne Zustimmung des Gemeinderats nicht in geplanter Form realisiert werden kann.
Vielmehr hat die gesamte Tiroler Architekturszene – von der Kammer über das Architekturzentrum „aut.“ bis hin zur Architekturfakultät der Universität Innsbruck – Ende Mai in einem öffentlichen Brandbrief das Vorhaben gegeißelt.
Wider allen Vorbehalten
Ungeachtet dessen wird der nach den Wünschen des Anlegers überarbeitete Bebauungsplan aller Voraussicht nach am Donnerstag im Gemeinderat eine Mehrheit finden. Und das, obwohl sich im Vorfeld Gestaltungsbeirat wie Stadtplanung klar dagegen ausgesprochen haben.
Es geht um ein extrem steiles Hanggrundstück, in dem die sogenannte „rote Villa“ aus dem späten 19. Jahrhundert thront. Das Versprechen, das historische, aber nicht denkmalgeschützte Gebäude nicht abzureißen, war das Faustpfand des Bauträgers „Schwarzweiss“.
Im Gegenzug für den Erhalt soll die Stadt die Wohnnutzfläche auf dem Areal – 2017 für 7,8 Millionen Euro verkauft – von ursprünglich 3.200 auf 5.700 Quadratmeter erhöhen, so die Forderung. Im völlig überhitzten Immobilien-Markt Innsbruck darf davon ausgegangen werden, dass es zu einer Wertsteigerung im zweistelligen Millionenbereich kommt.
„Ein in jeder Hinsicht fatales Zeichen“, sagt die Architektenschaft. „Die goldenen Jahre beginnen Schwarzweiss“ wirbt indes der Bauträger am Fuße der Liegenschaft mit einem Plakat an der viel befahrenen Innstraße. Hinter einem Zaun breitet sich noch eine alte Streuobstwiese aus.
Es bleibt „ein Kuriosum“
Aber praktisch die gesamte Fläche soll mit einer Terrassensiedlung nach Plänen von Stararchitekt David Chipperfield verbaut werden – und die Villa regelrecht umschließen. Aus Sicht der Stadtplanung würde so „ein Kuriosum“ entstehen. Laut aktuellem Bebauungsplan wären hingegen nur drei einzelne Baukörper möglich gewesen.
„Das dort, wie zuerst geplant, drei hässliche Türme stehen, will auch keiner. Und dass die Villa erhalten bleibt, war ein politischer Wunsch. Den Aufschrei möchte ich mir nicht vorstellen, den es bei einem Abriss gegeben hätte“, sagt Lucas Krackl, Klubobmann von Für Innsbruck (FI) und Vorsitzender des Bauausschusses.
Er geht davon aus, dass es eine Mehrheit für den neuen Bebauungsplan gibt.
Die scheint gesichert. Neben FI wollen auch ÖVP und FPÖ mitgehen. Der freiheitliche Vizebürgermeister Markus Lassenberger sieht neben dem Erhalt der Villa ausreichend weiteren öffentlichen Mehrwert gegeben: „Platz für eine Kindergartengruppe, ein Bach wird renaturiert und es gibt Lagerflächen für Vereine“, sagt er.
Anderer Fokus
Dass die Marktpreise in Innsbruck durch solche Immobilien-Projekte weiter befeuert werden und so dem Ziel von leistbarem Wohnen in der Landeshauptstadt entgegengewirkt wird, glaubt Lassenberger nicht. „Wir haben zu viele Studenten in der Stadt, die Wohnraum brauchen“, sieht er das Problem anders gelagert.
ÖVP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber argumentiert wie seine Kollegen. „Der öffentliche Mehrwert ist gegeben“, befindet auch er. Der Anleger hätte zudem auch einfach bauen können.
Dann freilich nicht auf einer derart großen Fläche. Die Stadtplanung ist der Ansicht, dass „die mit dem Projekt einhergehenden geringen öffentlichen Mehrwerte in krassem Missverhältnis zum durch den Bauträger erzielten Dichtegewinn stehen“.
„Es ist nicht Aufgabe der Politik, dass Anlegerwohnungen produziert werden, die dann leer stehen“, ärgert sich Bürgermeister Georg Willi (Grüne) über den absehbaren Sanktus. Er verweist darauf, dass laut einer jüngsten Analyse der Stadt „der Wohnungsleerstand in Neubauten von privaten Investoren besonders hoch ist.“
Rund 78.800 Wohnungen gibt es in Innsbruck. Für Immobilien, die länger als ein halbes Jahr leer stehen, ist in Tirol seit 1. Jänner eine Abgabe zu leisten. In der Landeshauptstadt gibt es schon länger ein Leerstandsmonitoring, das Schritt für Schritt ausgebaut wird.
Inzwischen umfasst dieses Monitoring bereits die Hälfte des Wohnungsbestands. Zum Stichtag 1. Juli waren bereits 35.457 Wohnungen mindestens sechs Monate in der Überprüfung. Davon waren in diesem Zeitraum in 3.071 weder ein Haupt- noch einen Nebenwohnsitz gemeldet, hieß es vergangene Woche in einem Update.
In 77 Prozent der Fälle stünden dieser Immobilien bereits mindestens ein Jahr lang leer. Laut dieser Daten beträgt die Leerstandsquote in Innsbruck 8,7 Prozent. Das entspricht dem Wohnungsbestand des Stadtteil Saggen.
Neue Leerstandsabgabe
Mit der heuer eingeführten Abgabe soll die Motivation der Besitzer gesteigert werden, ihre Wohnungen auf den Markt zu geben. Die Hoffnung der Politik: Mehr Angebot soll die extrem hohen Mieten drücken.
Ein bemerkenswertes Detail aus dem Innsbrucker Leerstandsmonitoring: Auch für den größten Teil der im Jahr 2022 fertiggestellten Wohnungen wurde die Leerstandsquote ermittelt. Sie betrug 12,9 Prozent. Von 100 leer stehenden Wohnungen wurden 91 von Privatpersonen (22) und gewerblichen Bauträgern (69) errichtet.
Der Verdacht liegt nahe, dass es sich dabei also großteils um Anlegerwohnungen handelt. Dieses Segment hat im vergangenen Jahrzehnt in Innsbruck geboomt. Die dadurch immer weiter steigenden Preise waren in den nun zu Ende gegangenen Niedrig-Zins-Zeiten ein Versprechen für Anleger, hohe Renditen zu erzielen. Für die spielte es vielfach keine Rolle, ob ihr „Betongold“ leer steht.
Der KURIER hat bei „Schwarzweiss“ unter anderem angefragt, ob man gewährleisten könne, dass bei diesem Projekt nicht weiterer Leerstand produziert wird. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es: „Unser Ziel ist, qualitativ so hochwertig zu bauen, sodass wir die herausragende Architektur von Chipperfield mit höchster Wohnqualität verbinden können und dass Menschen an der Adresse Innstraße 115 leben wollen.“
Zu den Preisen der Wohnungen hält man sich noch bedeckt. Diese „werden sich, wie überall, ein Stück weit am Markt orientieren müssen“, heißt es. Stadtchef Willi hat hingegen eine Vermutung. Er spricht von einer „De-luxe-Lage mit Blick auf den Hofgarten. Der wird Preise kriegen, dass er seinen Geldsack größer machen muss, damit das Platz hat.“
Stellungnahme des Unternehmens
Und das sagt das Immobilien-Unternehmen auf KURIER-Anfrage im Detail:
KURIER: Schwarzweiss hätte gerne vom Gemeinderat ein Erhöhung der Wohnnutzfläche in der Innstraße 115. Warum sollten die Mandatare aus Ihrer Sicht dieser zustimmen, so der neue Bebauungsplan am Donnerstag zur Abstimmung kommt?
Weil dieses Projekt das Ergebnis jahrelanger Planungsarbeit – mit allen betreffenden Akteuren ist. Herausgekommen ist ein Ergebnis, hinter dem wir, große Teile des Gemeinderates, sowie große Teile der örtlichen Bevölkerung in St. Nikolaus stehen. Wir haben viele Wünsche der Gemeinde berücksichtigt und damit diese in Summe auch umgesetzt werden können, ist die Beschlussfassung des Bebauungsplanes notwendig. Der Vorschlag, der am Tisch liegt, ist sehr gut, auch aus Sicht der öffentlichen Hand.
Ist der öffentliche Mehrwert nicht überschaubar?
Im Gegenteil, das Projekt bietet sehr großen öffentlichen Mehrwert – vom Erhalt und Sanierung der Bestandsvilla, über die Errichtung von Kinderbetreuungsflächen, Lagerräumen für das nahe gelegene Vereinsheim St. Nikolaus, die perfekte fuß- und radläufige Erschließungen bis hin zu der Renaturierung des angrenzenden Steinbruchbaches.
Es sind eine Reihe von Maßnahmen im öffentlichen Interesse vorgesehen. Man muss sich vor Augen führen, dass problemlos nach aktuellem Bebauungsplan gebaut werden könnte, aber dann wäre die Bestandsvilla nicht zu erhalten.
Wir haben eine sehr elegante und aufwändige Lösung entwickelt und mit Sir David Chipperfield, dem aktuellen Pritzker Preisträger, wirkt erstmals seit über 10 Jahren wieder ein Architekt mit Weltruf in der Architekturstadt Innsbruck. Dadurch profitiert zweifellos auch die heimische Architekturszene. Wir sind überzeugt: dieses Projekt ist die bestmögliche Lösung für alle.
Wie viele Wohnungen sollen auf dem Areal letztlich entstehen, zu welchen Quadratmeter-Preisen sollen sie verkauft werden?
Wie viele Wohnungen am Grundstück entstehen, kann man seriöserweise erst in mehreren Monaten beantworten, wenn die Detailpläne ausgearbeitet sind. Die Preise werden sich, wie überall, ein Stück weit am Markt orientieren müssen. Wir haben in den letzten 12 Monaten wirtschaftliche Verwerfungen gesehen, die viele nicht für möglich gehalten hätten.
Daher können wir keine Prognose abgeben, wie die Weltwirtschaft in den nächsten Jahren aussehen wird und welchen Einfluss das auf den Innsbrucker Wohnungsmarkt haben wird.
Können Sie gewährleisten, dass bei diesem Projekt nicht weiterer Leerstand produziert wird?
Unser Ziel ist es, qualitativ so hochwertig zu bauen, sodass wir die herausragende Architektur von Chipperfield mit höchster Wohnqualität verbinden können und dass Menschen an der Adresse Innstraße 115 leben wollen. Dass das möglich ist, haben wir bei all unseren realisierten Projekten bislang gezeigt und gerade deswegen investieren wir viel – etwa in den Renaturierung des Steinbruchbaches oder die Erhaltung der historischen Substanz.
Als Spekulationsobjekt eignet sich die Innstraße aus unserer Sicht daher nicht. Bei unseren Projekten haben wir bislang auch kaum mit Leerständen zu kämpfen, so wie das bei anderen Entwicklungen in Tirol vorkommen soll.
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