Im März erschien ihr neuer Krimi „Teufels Tanz“. Die Bestsellerautorin über Mordschauplätze, Recherchen bei der Polizei und wie KI das Leben von Autoren verändert.
Der erste Schauplatz ist der letzte Straßenstrich Wiens: In der Brunner Straße wird ein 80-Jähriger ermordet. Kurz darauf sterben weitere betagte Männer eines unnatürlichen Todes. Die junge Ermittlerin Fina Plank ist in Wien unterwegs auf Mörderjagd – und bringt sich dabei auch selbst in Gefahr.
Der KURIER traf die Bestseller-Autorin Ursula Poznanski zum Interview.
KURIER:Ihre ersten Krimis spielen in Salzburg, die neuen in Wien. Warum haben Sie diese Schauplätze gewählt?
Ursula Poznanski: Ich habe eine kleine Ferienwohnung in St. Gilgen am Wolfgangsee, die Idee für einen Thriller in Salzburg kam mir dort. Bis dahin habe ich Jugendbücher geschrieben – aber die Idee, Leichenteile in Plastikdosen zu verstecken, war so was von nicht Jugendbuch-tauglich (lacht). Mein Agent hat gesagt, dann suchen wir uns einen Verlag für Erwachsene. So kam das zustande.
Der erste Mordschauplatz im aktuellen Buch ist die Brunner Straße in Liesing. Auch das AKH und viele andere Orte kommen vor. Wie wählen Sie die Schauplätze aus?
Bei der Brunner Straße war es klar, es gibt nur noch zwei Straßenstriche in Wien, einen davon hier. Da ich Wien gut kenne, überlege ich: Wo würde die Szene funktionieren? Das AKH etwa ist ein Koloss, wo man sich verstecken kann. Ein bisschen Lokalkolorit finde ich nett. Wenn man es in einer Stadt ansiedelt, darf man das auch spüren.
In „Teufels Tanz“ gibt es wieder einige überraschende Wendungen. Wie entwerfen Sie die Handlung?
Das ist von Buch zu Buch unterschiedlich. Was immer der Fall ist, ist, dass ich wissen muss, wie ich die Sache auflöse. Außerdem habe ich ein paar fixe Szenen im Kopf. Dann ergibt sich beim Schreiben viel. Der Text ist schon sehr lebendig – ein lebendes, atmendes Ding. Weil es natürlich zeitsparend wäre, habe ich einmal versucht, vorher einen Plan zu machen: Szene, Szene, Szene, Kapitel. Das funktioniert aber nicht, weil ich ab Seite 20 aufhöre, mich daran zu halten.
Viele Autoren sagen ja, dass ihre Figuren ein Eigenleben entwickeln ...
Das ist witzigerweise wirklich so. Ich hab’ schon erlebt, dass ich mir gedacht habe: Die zwei sind befreundet – und dann konnten die sich nicht leiden. Was wirklich schräg ist (lacht). Das ist witzig und es ist eine Dynamik, die ich nicht durchschaue, die aber meistens viel besser ist, als das, was ich mir auf dem Reißbrett überlegt habe.
Von überall und nirgends. Alles, was einem unterkommt, jedes Bild, jeder Film, jedes Buch: Ich glaube, dass das alles irgendwie zufüttert.
Wie recherchieren Sie? Im Internet, im Gespräch mit Experten oder vor Ort?
Es lässt sich mittlerweile vieles aus dem Internet ziehen. Ich hatte auch jemanden bei der Polizei in Wien, der mir ganz, ganz lieb drei Stunden lang Fragen beantwortet hat. Da lernt man viel. Zum Beispiel, dass es nicht immer Duos sind, die zu Tatorten fahren, wie man es in Krimis sieht. Oder dass die Spurensicherung zwar alle Spuren sichert, dass aber nicht alle ausgewertet werden, denn jede Auswertung kostet Geld.
War es auch möglich, zu einem Tatort mitzukommen?
Das hat man mir angeboten, ich habe aber abgesagt. Das fände ich deplatziert, dass ich sage: Ich bin hier, um zu recherchieren. Schauen wir mal, was ist denn passiert? Erschossen, erstochen, erwürgt?
Die Autorin: Ursula Poznanski, geboren 1968, wuchs in Perchtoldsdorf (NÖ) auf und lebt in Wien.
Kinder- und Jugendbücher: 2003 erschien ihr erstes Kinderbuch. Das erste Jugendbuch „Erebos“ veröffentlichte sie 2010 – mehr als eine Million Stück wurden bereits verkauft.
Bücher für Erwachsene: Im Jahr 2012 erschien Poznanskis erster Thriller für Erwachsene („Fünf“). Im Mittelpunkt steht die Ermittlerin Beatrice Kaspary von der Polizei Salzburg. Die neuesten Krimis spielen in Wien: Am 3. März erschien „Teufels Tanz“, Band 3 der Serie mit der Wiener Ermittlerin Fina Plank.
Spielt KI bei der Recherche mittlerweile eine Rolle?
Bei mir nicht. Ich hab’ mal etwas ausprobiert, das war enttäuschend. In einem meiner Bücher geht es um eine KI, die einen Escape-Room steuert. Ich habe ChatGPT gebeten, mir ein Rätsel zu schreiben. Und es war furchtbar: Es kamen ganz schlechte Gedichte. Nach dem fünften Versuch hab ich gesagt: Okay, ich schreib’ es lieber selbst.
Wird die KI die schreibende Branche verändern?
Ja, leider. Zum Beispiel was Übersetzungen angeht. Da wird die KI eine Erstversion machen, und dann wird es einen Übersetzer geben, der das ein bisschen behübscht. Weil der Verlag sagt: Na gut, in Estland verkaufen wir 2.000 Bücher, auch wenn das ein Bestseller ist. Da ist jemand, der übersetzt, ein Kostenfaktor. Ich wollte mir das in meine Verträge reinschreiben lassen, dass ich das nicht möchte, aber keine Chance.
Kommt die KI bei der Kreativität an Menschen heran?
Ich glaube, eine KI kann keinen Twist entwickeln. Und eine KI hat keinen Humor. Zumindest im Moment kann menschliche Kreativität nicht von einer Maschine ersetzt werden. Aber was weiß man, was die nächste oder übernächste KI-Generation kann.
Ich versuche, pro Tag zwischen 1.000 und 1.300 Worte zu schreiben. Wenn ich in einer intensiven Schreibphase bin, schreibe ich jeden Tag. Auch auf Lesereise, im Zug, im Hotel. Ich fange damit an, dass ich mir den Output vom Vortag anschaue. Da fallen mir schon wahnsinnig viele Sachen auf, die ich überarbeiten möchte. Und dann bin ich wieder so drin, dass ich weiß, wie ich weiterschreibe.
Die Hauptfiguren, in diesem Fall Ermittlerin Fina, sind immer liebenswerte Figuren. Ist das wichtig?
Totale Unsympathler ins Rennen zu schicken, ist schwierig. Ich habe in einem Jugendbuch einmal bewusst einen unsympathischen Protagonisten geschaffen, das fanden viele schwierig. Wobei mir das nichts ausmacht, ich kann mich auch mit einem richtigen G’frast sehr gut amüsieren (lacht).
Fragen Leser oft, warum Sie sich Verbrechen ausdenken?
Bei Lesungen kommt oft: Sie sehen doch ganz nett aus – was stimmt denn nicht mit Ihnen? (lacht) Ich erkläre dann, dass das mit meiner Persönlichkeit nichts zu tun hat, sondern dass das der Job des Schreibenden ist, sich in alles Mögliche hineinzudenken. Und dass das nicht bedeutet, dass ich heimlich Menschen auflauere (lacht). Ich kenne ja viele Autoren aus der Krimi- und Thrillerszene. Das sind alles wahnsinnig nette, ausgeglichene Menschen. Und ich glaube, das könnte damit zu tun haben, dass es ein bisschen einen kathartischen Effekt hat, alles aufs Papier zu bringen.
Würden Sie für Erwachsene gerne auch einmal etwas anderes als Krimis schreiben?
Ja, ich habe tatsächlich ein Fantasy-Buch für Erwachsene und ein Theaterstück im Hinterkopf. Aber da muss ich erst Überzeugungsarbeit bei meinem Verlag leisten. Das nächste Buch wird ein Jugendbuch. Das Übernächste, das in einem Jahr erscheint, ist wieder für Erwachsene. Es geht Richtung Thriller, weniger in Richtung Ermittlung.
Macht Ihnen das Schreiben noch großen Spaß?
Es ist der tollste Job überhaupt. Ich kann überall schreiben, auch in Sardinien am Strand. Wobei das Nachteile hat – weil alle anderen am Strand schreiben nicht (lacht). Ich bin im Sommer viel am Wolfgangsee. Ich habe ein kleines Boot, mit dem fahre ich raus und schreibe dort. Zwischendurch hüpfe ich ins Wasser, dann schreibe ich weiter. Dass ich vom Schreiben leben kann, ist ein großes Glück. Und es ist eine angenehme Art des Bekanntseins, weil mich kaum jemand auf der Straße erkennt. Am Ende geht es um die Bücher, nicht um mich.
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