Als ihr Großvater Albert Winkler 1906 das Wiener Handelshaus für Entomologiebedarf gründete, boomte der Insektenmarkt. Dieser Tage ist das Thema weniger als eine Nische. Es gibt kaum mehr Sammler und halbwüchsige Buben haben heute andere Hobbys, als mit einem Kescher bewaffnet durch Wiesen und Wälder zu ziehen, um Schmetterlinge einzufangen. Die Nachfrage nach leblosen Insekten ist enden wollend, doch Hildegard Winkler, deren Herz eigentlich den Gedichten von Christian Morgenstern gehört, will sich trotzdem nicht von der halben Million toter Tiere in ihrer Altbauwohnung trennen.
Sie hat schließlich lange gebraucht, um Zuneigung zu diesem merkwürdigen Metier zu fassen. Nach dem Tod des Großvaters übernahm der Vater das Geschäft, der es wiederum ihr überantwortete. Die studierte Germanistin, deren Leidenschaft die Poesie ist, verabscheute das Getier und wollte das Geschäft verkaufen. „Als Kind fand ich das schrecklich. Beim Durchforsten des Geschäfts bin ich picken geblieben,“ erinnert sich die zierliche Blondine, der man das selbstverständliche Hantieren mit Vogelspinnen auf den ersten Blick nicht zutrauen würde. Sie sieht mehr nach schöngeistiger Literatur als nach exotischen Achtbeinern aus.
Frau Winkler hat das Geschäft originalgetreu renoviert und Ordnung hereingebracht, doch für den, der es zum ersten Mal betritt, wirkt es noch immer wie eine skurrile Mischung aus Verkaufslokal und eigentümlich angeräumter Privatwohnung. Eine Menge Kästen, darin eine unüberschaubare Anzahl von Laden, in denen Tausende Tiere verstaut sind, befindet sich hier. Die Malerarbeiten erledigte einst der Künstler Franz West, damals noch unbekannt, aber ein guter persönlicher Freund.
Fremde, sagt Hildegard Winkler, seien meist „nicht besonders begeistert,“ wenn sie von ihrem Metier erzähle. Was sagt sie jenen, die das hier grausam finden? „Die Insekten sind alle gezüchtet. Und sie sterben im Rausch, nachdem sie in Äther betäubt wurden.“ Und vor allem: Mit geschützten Arten handle sie natürlich nicht. Das wäre ja auch verboten.
Ein Stammkunde, nennen wir ihn Herr Peter, erläutert, dass die Tiere ja vor allem in der freien Natur bedroht seien: „In allererster Linie durch den Verlust ihres Lebensraumes, die Rodung von Wäldern, die Trockenlegung von Feuchtbiotopen, die Überdüngung und die generelle Intensivierung der Landwirtschaft sowie die Versiegelung von Flächen.“ Ihn begeistert die schillernde Pracht mancher Insekten, die sie wie kostbare Juwelen erscheinen lassen: „Es sind wahre Wunderwerke der Natur.“
Auch Hildegard Winkler, Jahrgang 1942 und frisch verheiratet, weiß die Schönheit dieser kleinen Naturwunder zu schätzen. Und nach anfänglicher Skepsis hat sie gelernt, mit ihnen zu handeln. Doch trotz aller Wertschätzung: Von Liebe zu sprechen, wäre unangebracht. Die Liebe hat sie für ihren Mann und für Christian Morgenstern reserviert. Seine ernsten Gedichte. Sie bereiten ihr heute noch Herzklopfen.
Info: www.entowinkler.at
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