Ein "echter Mann"? Lieber fürsorglich als toxisch männlich

„Wann ist ein Mann ein Mann?“, fragt Herbert Grönemeyer in seinem Lied „Männer“. Eine Frage, die sich viele Männer und Burschen stellen. Die Antwort darauf ist komplex.
Gefunden wird sie in einem Männerbild. „Ein solches gibt Orientierung für das geschlechtsspezifische Verhalten von männlich gelesenen Personen“, erklärt Erich Lehner, Psychotherapeut und Vorstandsvorsitzender des Dachverbandes für Männerarbeit (DMÖ).
Männlichkeit: Dominanz und Konkurrenz
„Wir gehen davon aus, dass Männlichkeit abseits von biologischen Merkmalen nicht angeboren ist, sondern es eine soziale Konstruktion gibt. Es werden im sozialen Zusammenleben bestimmte Verhaltensweisen entwickelt“, so Lehner. Am besten könne man solche Verhaltensweisen in Bildern wiedergeben, jeder Mann habe sein eigenes entworfen. Sie seien daher vielfältig. Allerdings gebe es ein vorherrschendes Bild in der Gesellschaft: Die hegemoniale Männlichkeit. „Sie besteht aus drei Teilen: Dominanz, Konkurrenz, Hierarchie“, erklärt der Experte.
Er beschreibt eine Alltagssituation: „Ein Bub kommt aus der Schule und erzählt, dass ein anderer böse zu ihm war. Dem Bub wird gesagt: ,Du musst dich wehren‘. Ein Mädchen wird in derselben Situation wahrscheinlich umarmt. Dadurch kommt es zur Dominanz-Männlichkeit, dann kommt es zur Konkurrenz und diese lässt sich am ehesten durch Hierarchie ordnen.“
Das sei das Männerbild, das in Österreich vorherrscht – eines, das vielen widerstrebt. Etwa Jakob Allinger (32), er hat gemeinsam mit anderen 2021 den Verein „CoBros“ in Wien gegründet. „Wir wollen fürsorgliche Männlichkeitsbilder fördern und in den Mainstream bringen“, erklärt er.
Deswegen bieten sie Männern Räume zum Austausch, wovon es zu wenige gibt: „Räume, in denen man nichts vorgeben muss, wo man geschätzt wird für das, was man ist, wo man in Verbindung mit anderen Männern gehen kann. Ohne eine Rolle zu spielen und von Rollenbildern geprägte Erwartung erfüllen zu müssen. Es geht auch darum, Männlichkeitsnormen im eigenen Leben und der Gesellschaft zu reflektieren – und daraus Handlungen im eigenen Leben abzuleiten oder diese bewusst nicht zu setzen“, führt er aus.
Gewalt unter Männern: Caring Masculinity als Gegenentwurf
„Viele leiden unter falschen Rollenbildern, schließlich reproduzieren sie diese und geraten dann oftmals in eine Spirale aus Sucht und Gewalt“, so Allinger. Psychotherapeut Lehner betont: „Wenn es zu Gewalt kommt, sind in erster Linie die Männer die Täter. So lange das Dominanz-Männlichkeitsbild vorherrschend ist, werden immer Männer zur Gewalt greifen, da ist es wichtig, die Caring Masculinities zu fördern.“ Die „fürsorgliche Männlichkeit“ ist ein gewaltfreies Männlichkeitsmodell, das über traditionelle Rollenbilder hinausgeht. Fürsorge, Empathie und Verantwortungsbewusstsein werden betont.
CoBros setzt auch auf Burschenarbeit. Es sei wichtig, mit Jugendlichen zu arbeiten und fürsorgliche Männerbilder an die nächste Generation weiterzugeben. In den Mittelschulen seien Gewaltbereitschaft, übergriffiges Verhalten gegenüber Mädchen oder fehlender Respekt vor Lehrerinnen Indikatoren für Handlungsbedarf. „Wir halten Workshops in Wiener Schulen und Ausbildungsstellen. Burschen und junge Männer sollen die Werte und die relevanten Skills bekommen, die sie brauchen, um ein gutes Leben für sich und ihr Umfeld führen zu können“, so der 32-Jährige.
Social Media sei dabei ein bedeutsamer Faktor. „Beinahe jeder kennt Andrew Tate (Anm.: Influencer, der als Alphamann und Frauenhasser gilt). Fehlende Vaterfiguren oder männliche Vorbilder im Umfeld machen es für solche Männer einfacher, Jugendliche zu radikalisieren und für ihre Zwecke zu benutzen“, erklärt Allinger.
CoBros wollen ein Gegenstück dazu in der Social Media Welt etablieren – einen eigenen Tiktok-Kanal und eine Online-Community aufbauen.
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