„Tiroler Weg“ im Tourismus ohne Kehrtwende

Der Tiroler Tourismus ist nicht nur in Ischgl auf Masse getrimmt
Die neue Strategie hält Nachhaltigkeit und Abkehr von Exzessen hoch. Der Weg dorthin ist vage. Die Politik schiebt die Verantwortung von sich weg

Im März 2020 schlägt das Coronavirus in Ischgl wie eine Bombe ein. Das auf Massen- und Partytourismus getrimmte Skidorf im Paznauntal ist der perfekte Nährboden für die Infektion tausender Gäste und großer Teile der Bevölkerung.

Seither steht der Tiroler Tourismus in der internationalen Auslage, werden die Auswüchse des Wirtschaftszweigs beleuchtet. Gleichzeitig hat die Pandemie gezeigt, dass die Konzentration auf dieses Geschäftsmodell und damit auch die Abhängigkeit davon für das Bundesland eine massive Schwachstelle sein kann, wenn der Reiseverkehr zum Erliegen kommt.

Auch am Mittwoch erinnert ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter bei einer Pressekonferenz im Innsbrucker Congress, dass in Tirol „jeder dritte Euro direkt oder indirekt im Tourismus generiert wird“ und jeder vierte Arbeitsplatz damit verknüpft sei. Flankiert ist er dabei von Vertretern der Branche.

Keine Neuerfindung

Im Zuge einer Perspektivenwoche stellt Platter die neue Tourismusstrategie vor, die bei genauer Betrachtung keinen politischen Druck aufbaut, um ausgetretene Pfade zu verlassen. „Der ,Tiroler Weg’ erfindet den Tourismus nicht neu, aber denkt ihn an entscheidenden Stellen neu“, beschreibt es Platter.

Nachhaltigkeit lautet eines der Schlagworte. Mit dem wird freilich inzwischen fast jedes Produkt beworben. Es soll jedenfalls kein „weiter, schneller, höher“ mehr geben, heißt es. Festgemacht wird das an einer Obergrenze von 330.000 Betten im Land. Da gibt es aber ohnehin schon lange keinen Zuwachs mehr.

„Tiroler Weg“ im Tourismus ohne Kehrtwende

Allein in der Natur: Das suggeriert die Tourismuswerbung

Stetig nach oben ging es hingegen bis zur Corona-Vollbremse mit den Gästezahlen. 12,5 Millionen Urlauber nächtigten 2019 in Tirol. Zehn Jahre zuvor waren es 9,1 Millionen. Das Gros der Gäste reist mit dem Auto an. An Wochenenden stehen Einheimische in den Tälern und auf den Zufahrtsrouten entweder mit den Reisenden im Stau oder meiden die Straßen.

Der „Tiroler Weg“ gibt nun als Ziel aus, dass die Anreise der Gäste mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis 2035 von derzeit 10 auf 20 Prozent gesteigert werden soll. Das heißt im Umkehrschluss, dass dann immer noch vier von fünf Urlaubern mit dem Auto oder dem Flugzeug anreisen würden. Das klingt wenig ambitioniert.

„Wenn wir das Ziel nicht erreichen, bringt uns das auch nicht weiter“, so Platter. Es gelte, das Angebot zu verbessern, um die gesteckte Marke zu erreichen. Dass der Verkehr einer der Punkte ist, die dem Tourismus ein Akzeptanzproblem bei der einheimischen Bevölkerung bescheren, weiß auch der Landeshauptmann. „Wir müssen die Sorgen der Bürger ernstnehmen.“

Dort wo sich innerhalb Tirols in den vergangenen Jahren immer wieder Konflikte entzündet haben, scheut die Politik jedoch vor Schranken zurück. Einem Ausbaustopp in Skigebieten erteilt der Landeschef eine Absage. In Tirol gilt zwar der Grundsatz: keine neuen Skigebiete. Projekte kommen aber immer wieder als Verbindung von bestehenden Skigebieten daher, sie sind von Neuerschließungen kaum noch zu unterscheiden „Es gibt ein Instrument, dass bestimmte Entwicklungen nicht mehr möglich sind“, verweist Platter auf die Verfahren.

Selbstbeschränkung

Und der so ins Schlaglicht geratene Partytourismus? Hier sieht der Landeshauptmann „mancherorts ausufernde Tendenzen“. Einige schwarze Schafe würden den Tourismusstandort Tirol schädigen: „Das ist ein Irrweg.“ Doch das Unterbinden von Exzessen „überantwortet Platter auf Nachfrage „den Gemeinden“.

Verordnungen, um die Auswüchse des Après-Ski einzugrenzen, haben etwa Mayrhofen im Zillertal und Ischgl (sogar schon vor Corona) auf den Weg gebracht. Die Maßnahmen richten sich aber vor allem gegen den Exzess auf der Straße oder sollen Tagesbusreisende fernhalten. Ob das Après-Ski in der bisherigen Form verschwindet, wird wohl dem Gast überlassen.

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