Für den ÖVP-dominierten Tiroler Gemeindeverband, der nach der Pleite seines Unternehmens Gemnova in einer tiefen Krise steckt, ist der Dienstag kommender Woche ein Schicksalstag: Bekommt das neue Führungsquartett bei einer Vollversammlung nicht die notwendige Unterstützung der Bürgermeister, droht auch dem Verband der Konkurs.
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Um das Gemnova-Debakel finanziell abwickeln zu können, sollen die Mitgliedsbeiträge der Gemeinden erhöht werden. Aber es gibt Widerstände.
Mattle und Dornauer im Hintergrund
Im Hintergrund sind auch Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) und sein Stellvertreter Georg Dornauer (SPÖ) gefordert.
Es ist eine von vielen politischen Altlasten, die das Duo seit Amtsantritt vor bald einem Jahr auf Trab halten. Am 25. Oktober 2022 wurde die schwarz-rote Landesregierung angelobt, die damit beinahe zehn Jahre Schwarz-Grün beendete.
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Dornauer hatte nach der Wahl schnell vergessen, dass er nur bei "deutlichen Zugewinnen" als Juniorpartner in eine Koalition mit der ÖVP wollte. Ein minimales Plus (0,2 Prozent) reichte nicht einmal, um Platz zwei gegen die FPÖ zu verteidigen.
Dennoch wurde ein Bündnis mit Anton Mattle geschmiedet, der nach der überraschenden Rückzugsankündigung von Langzeit-Landeshauptmann Günther Platter die Tiroler Volkspartei nur wenige Wochen vor der auf 22. September 2022 vorgezogenen Landtagswahl übernahm.
Inhaltliche Differenzen mit Bundes-VP
Mattle überlebte das Minus von beinahe zehn Prozent politisch. Und scheut sich inzwischen nicht, sich inhaltlich immer wieder von der Linie der Bundespartei zu distanzieren. Er machte kein Hehl daraus, dass er nichts mit Bargeld in der Verfassung und der von Bundeskanzler Karl Nehammer und NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner angezogenen Normalitätsdebatte anfangen kann.
Bei der Distanzierung zur FPÖ, mit der er in Tirol eine Zusammenarbeit ausgeschlossen hat, geht Mattle noch einen Schritt weiter als Nehammer. Eine Koalition mit den Blauen im Bund lehnt er schon allein wegen ihres Parteiprogramms ab. Die klaren Worte bringen Mattle österreichweit Aufmerksamkeit. An der mangelt es auch Georg Dornauer nicht.
Was Dornauer von Bablers Ideen hält
Der SPÖ-Chef richtete seinem Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler in diesem Sommer aus, dass er von einigen seiner Ideen wenig hält. Die von einer Rechtspolitikerin öffentlich gemachte Beziehung mit Dornauer sorgte ebenfalls für Aufsehen. Und Kritik der Parteijugend.
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Die eigenen Reihen hält der in der Vergangenheit dort nicht immer unumstrittene SPÖ-Landeschef bisher aber erstaunlich geschlossen. Dass er die seit 2013 in der Opposition darbenden Roten wieder in die Regierung geführt hat, wird Dornauer gedankt.
Die Teuerung bleibt ein Problem
Beim Zusammenhalten seiner Herde hat Mattle schon mehr Probleme. Der schwarze AK-Präsident Erwin Zangerl trieb die Regierung und damit den Landeshauptmann in Sachen Teuerung vor sich her. Letztlich musste Mattle den landeseigenen Unternehmen Tiwag und Neue Heimat Tirol ins Getriebe fahren, um Strom- bzw. Mieterhöhungen abzufedern. Beides ließ freilich auch die populistische Ader von Dornauer kräftig schlagen. Der Unmut der Bevölkerung blieb ihm nicht verborgen.
Hörl im Genick
Und dann hat Mattle da noch einen gewissen Franz Hörl im Zaum zu halten. Der Zillertaler ÖVP-Nationalrat und Chef des Landes-Wirtschaftsbunds machte mit seinen Ausritten schon Platter immer wieder zu schaffen. Zuletzt forderte er eine Abschaffung des permanenten "Lufthunderters" auf den Tiroler Autobahnen.
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Der ist aber die Basis für praktisch alle Anti-Transitmaßnahmen des Bundeslandes, an denen auch der Landeshauptmann festhalten will und muss, so lange die Brenner-Route von Lkw-Massen förmlich überrollt wird.
Ein falscher Doktorgrad
Wie eine Dampflok ist Hörl aber auch unterwegs gewesen, um die von ihm forcierte Umstellung der Zillertalbahn von Diesel auf Wasserstoff durchzudrücken. Nach einem Grundsatzbeschluss der Landesregierung für das Vorhaben stellte sich der Hauptverantwortliche bei den Zillertalbahnen als falscher Doktor heraus. Die Sinnhaftigkeit des Vorhabens stand plötzlich wieder zur Debatte. Dass Hörl ständig weiter Druck aufbaute, kam dann bei Mattle irgendwann gar nicht mehr gut an.
Was wird mit dem Wasserstoffzug?
Was aus dem Wasserstoffzug wird, steht nun in den Sternen. Das Projekt hat die neue Landesregierung wie andere Probleme auch geerbt. Neben dem Gemeindeverband stand heuer schon die Gemeinde Matrei in Osttirol auf der finanziellen Kippe. Dem Ort stand mit Andreas Köll über 30 Jahre hinweg ein lange tirolweit mächtiger Politiker als ÖVP-Bürgermeister vor. Obwohl es immer wieder Berichte über die bedenkliche Schuldenlage gab, hielt sich die von der ÖVP verantwortete Gemeindeaufsicht zurück.
Der Neubau des MCI wird teurer
Und Dornauer ist seit Amtsantritt unter anderem mit der Umsetzung des größten Bauprojekts des Landes zu Gange, das vor ihm zwei ÖVP-Landesräte nicht auf Schiene brachten. Der Neubau des MCI wurde ursprünglich mit 80 Millionen Euro veranschlagt, dann war nach einer Neuausschreibung von 135 Millionen Euro die Rede. Dornauer rechnet inzwischen mit 155 Millionen Euro.
Was blieb auf der Strecke?
"Stabilität in der Krise" schrieb das ungleiche Spitzenduo Mattle/Dornauer, das fast auf den Tag genau 20 Lebensjahre trennen, über ihren Koalitionspakt. Der Versuch, dieses Versprechen einzulösen dominiert die Tagespolitik ihrer Landesregierung nahezu vollkommen. Die "Erneuerung für Tirol" – der zweite Teil der Überschrift des Abkommens – bleibt dabei bisher eher auf der Strecke.
Wo Tirol Schlusslicht ist
Den Ausbau der Photovoltaik, bei dem Tirol Schlusslicht in Österreich ist, wollte man im Sinne eines Leuchtturmprojekts mit einer Förderung für die Errichtung von Solaranlagen auf Großparkplätzen in Schwung bringen. Das Interesse an dem Modell war aber bescheiden.
Versuch der Offensive
Mit einem Fahrplan hin zum angekündigten Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr wollte die Koalition diese Woche in die Offensive kommen. Bis zum Beginn des Kindergartenjahres 2026/27 soll das Angebot stufenweise ausgebaut werden und das Recht auf Kinderbetreuung letztlich gesetzlich verankert werden. Ob das Vorhaben gelingt, wird erst in den kommenden drei Jahren zu sehen sein. Ein großer Wurf auf einer anderen Spielwiese ist aber derzeit nicht in Sicht.
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