Tier-Expertin: Führerschein für alle Rassen

Auch der Mops kann beißen, daher stehen in Kärnten alle Hunde auf der "Liste".
Nach dem tödlichen Rottweiler-Angriff: Wie beurteilt Tiercoach Katharina Reitl die unterschiedlichen Vorschläge der Politik?

Ein einjähriger Bub ist tot. Das Kleinkind musste vergangenen Freitag sterben, weil eine betrunkene Wienerin ihren Rottweiler nicht im Griff hatte; das Tier stürzte sich auf den Buben und biss ihn in den Kopf.

Dieser tragische Vorfall hat bundesweit nicht nur für Bestürzung gesorgt, sondern auch eine Debatte über Hundehaltung ausgelöst.

Während Wien ein Alkohollimit von 0,5 Promille für Hundebesitzer einführen will, geht Kärnten einen anderen Weg: Dort sollen Halter sämtlicher Hunderassen künftig verpflichtend Schulungen bei den 15 landesweit existierenden Hundetrainern besuchen. Vorgesehen sind Theorie- und Praxiskurse, die bereits im Welpenalter beginnen. Für Tiere, die nicht als bedenklich eingestuft werden, ist ein Basismodul geplant, bissige Hunde werden zu Zusatzeinheiten vergattert. Wie umfangreich all diese Schulungen sein werden, wird  erst diskutiert, Experten des Landes arbeiten aktuell die neuen Bestimmungen aus.

Die Kärntner Tierschutzreferentin Beate Prettner  (SPÖ) will sie jedenfalls möglichst rasch in ein neues Gesetz gießen, das weiters für bissige Hunde auf öffentlichen Plätzen Beißkorb- und Leinenzwang vorsehen soll. Nach der aktuellen Regelung können Hundebesitzer noch zwischen Beißkorb oder Leine wählen. 

Im KURIER-Interview spricht Tiercoach Katharina Reitl von der Ordination Tiergarten Schönbrunn  in Wien über  die neuen Vorschläge und Möglichkeiten, um das Problem in den Griff zu bekommen.

KURIER: Was halten Sie von gesetzlichen Regelungen wie einem Alkolimit für Hundehalter oder dem verpflichtenden Hundeführschein?

Reitl: Im öffentlichen Raum sagt mir der Hausverstand, dass ich nüchtern zu sein habe – egal, ob ich mit einem Kind, einem Einkaufswagerl oder einem Hund unterwegs bin. Man muss nicht alles reglementieren. Eine Schulung für alle Hundehalter ist prinzipiell der richtige Weg, der auch in Wien angedacht ist, denn Mops und Chihuahua können genauso beißen, und haben auch ihre Bedürfnisse. Hund und Herrl haben Wissenslücken. Das Bellen, das Knurren, das Schwanzwedeln – der Mensch muss die Hundesprache verstehen lernen. 

Hund oder Mensch: Wer braucht mehr Schulung? 

Manchmal ist das Problem am anderen Ende der Leine, ja. Aber gesetzlich geregelt? Soll der Polizist dann auf der Straße  jeden Hundeführer kontrollieren? Und wir müssen uns dessen bewusst sein: Wenn der verpflichtende Hundeführschein kommt, werden viele ältere Personen keinen Hund mehr haben können. Diese Tiere übernehmen jedoch wichtige Funktionen in der Familie sowie für die Psyche der Menschen. Ich bin übrigens auch kein Freund des Hundeführscheins für sogenannte Listenhunde in Wien. Hunde werden dämonisiert, denn die Rasse, die in der Bissstatistik vorne liegt, ist nicht zwingend die aggressivste. Und Tierschutzhäuser bringen gewisse Rassen nicht mehr an, denn jedes Familienmitglied, das mit dem Hund Gassi geht, bräuchte den Schein.

Tier-Expertin: Führerschein für alle Rassen

Tiercoach Katharina Reitl aus der Ordination Tiergarten Schönbrunn.

In Niederösterreich wird eine Maulkorbpflicht für alle Hunde angedacht. 

Maulkorb wird’s für den Mops nicht geben. Und ich darf Hunde  nicht ständig mit Leine und Maulkorb fesseln. Wenn der frei kommt … So provoziert man verhaltensauffällige Hunde, weil sie kein Sozialverhalten mehr im Umgang mit Artgenossen und Menschen lernen.

Würde eine bundesweit einheitliche gesetzliche Regelung helfen? 

Klingt prinzipiell vernünftig, weil ich mich  ja als Hundehalter nicht mit Regelungen in jedem Bundesland beschäftigen muss und will, wenn ich auf Urlaub fahre. Andererseits bestehen in Ballungszentren bei der Hundehaltung ganz andere Voraussetzungen als am Land. 

Sollten  ängstliche Menschen oder Kinder den Umgang mit fremden Hunden minimieren, um sich keiner Gefahr auszusetzen?

Nein. Der Hundeführer muss sich auf die Situation einstellen und entsprechend reagieren. Niemand muss um sein Leben fürchten, nur weil er einem Hund begegnet. Das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier wird weiterhin funktionieren.

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