Dramatische letzte Meter für den Höhlenforscher

Abstieg in das Innere der Jack-Daniel’s-Höhle. Ein Bergretter seilt sich in die Tiefen des Schachts ab
Feuchtigkeit, Enge und Temperaturen um drei Grad setzen Verletztem und Rettern zu.

Um 4 Uhr Früh am Freitag hat die Rettungsaktion für den verunglückten polnischen Höhlenforscher Marek Gizowski begonnen. Bis 0.30 Uhr am Samstag wollten es die Retter geschafft haben. 30 Höhlenretter versuchten, den 27 Jahre alten Forscher aus der 250 Meter tiefen Jack-Daniel’s-Höhle in Abtenau im Salzburger Tennengau zu holen. Doch die letzten Meter gestalteten sich schwierig: „Im letzten Abschnitt hatten wir mit Problemen zu kämpfen“, sagt Einsatzleiter Wilfried Seidl von der Bergrettung Tennengau. Vor der letzten Engstelle mussten die Retter noch einen technischen Umbau vornehmen.

Der Höhlenforscher befand sich zu diesem Zeitpunkt laut dem Einsatzleiter in einem guten körperlichen Zustand. Mit einem vom Bundesheer bereitgestellten Hubschrauber mit Nachtsichtgerät soll der Forscher nach der Bergung ins Spital geflogen werden.

Absturz

Rückblende: Der polnische Forscher war in der Nacht auf Donnerstag gegen 2 Uhr in der Früh in der Höhle im Salzburger Tennengau acht Meter abgestürzt. Aufgrund der Verletzungen – Oberschenkelbruch, Rippenbrüche, Gehirnerschütterung – gestaltete sich die Rettung schwierig. Meter für Meter mussten sich die 30 Höhlenretter vom Unglücksort bis zum Ausgang der Schachthöhle empor arbeiten. Für die ersten 100 Meter brauchten die Einsatzkräfte 14 Stunden.

Nach der horizontalen Bergung erfolgte die vertikale. „Da mussten wir vermehrt Pausen machen. Das war nicht nur für den Patienten, sondern auch für die Retter eine Belastung“, erklärt Wilfried Seidl. In der Höhle hat es nur drei Grad, es ist feucht, dreckig. Wärmepads und ein Schlafsack schützten den Polen vor einer Unterkühlung. Der 27-Jährige wurde mit Gurten an einer Kunststofftrage befestigt und liegend transportiert. „Der Patient ist ein Kämpfer. Er arbeitet sehr stark mit“, betonte der Salzburger Höhlenretter Christian Roither.

Schwierige Bergung

Zu den größten Problemen gehörten die Engstellen, die die Helfer zu überwinden hatten. Immer wieder musste die Trage aufgerichtet werden, um Gizowski heil durchzuschleusen. „Mit Hammer und Bohrmaschine haben wir diese Abschnitte verbreitert. Kurz vor dem Ausgang gibt es eine extrem enge Stelle, die uns Probleme bereitet“, sagt Seidl.

Insgesamt 116 Einsatzkräfte – von Berg- und Höhlenrettung, Alpinpolizei, Feuerwehr, Rotem Kreuz, Flugrettung und der Stabsstelle in der Zentrale – sind an der Aktion beteiligt. Jene 30 Retter, die in der Höhle im Einsatz waren, sollten noch Samstagnacht in eine Schutzhütte gebracht und verpflegt werden. Der Abstieg ins Tal war für Samstagvormittag geplant.

Video über die Jack-Daniel's-Höhle:

KURIER: Die Bergung ist ein Kraftakt für den Verunglückten und die Helfer. Wie geht es den Beteiligten?
Maria Riedler: Alle stoßen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Der verunglückte Höhlenforscher hat vor allem mit seinem Oberschenkelbruch zu kämpfen, verspürt große Schmerzen und bekommt Schmerzmittel verabreicht. Aber er ist ansprechbar und stabil. Die Rettungskräfte arbeiten im Schichtbetrieb, wechseln sich ab. Auch die Ärzte haben gewechselt. 70 Helfer sind ständig am Berg, dort herrscht Schneeregen. In der Höhle wurden drei, vier Grad gemessen. Es ist nass und schmutzig, die Leute sind durchgefroren, erschöpft.

Wie schwierig ist der Transport des Verletzten?
Es gibt immer wieder Engstellen, die man mit der Universaltrage nur schwer passieren kann. Pausen sind auch für den Höhlenforscher wichtig. Der Verunglückte gibt das Tempo vor.

Funktioniert die Versorgung der Helfer vor Ort?
Ja, aufgrund der Wetterbesserung am Freitag konnte ein Hubschrauber weiteres Bergematerial sowie Lebensmittel zur Laufener Hütte in 1726 Metern Höhe fliegen. Von dort wird das Material von den Einsatzkräften zu Fuß zum Eingang der Höhle in 2120 Metern Höhe gebracht. Insgesamt dürften rund zwei Tonnen Material für den Hilfseinsatz nötig sein. Seile, Karabiner und Medikamente werden benötigt. Beim Einstieg in die Höhle wurde am Freitag ein kleines Biwak aufgestellt.

Dramatische letzte Meter für den Höhlenforscher

Die Jack Daniel's-Höhle im Salzburger Tennengebirge, in der ein polnischer Forscher bei einem Absturz in etwa 250 Metern Tiefe schwer verletzt wurde, gehört zu den längsten Höhlen in Österreich. Sie reiht sich mit ihren bisher 10,22 erforschten Kilometern ungefähr als 30. längste Höhle des Landes ein, wie Johannes Mattes vom Verband Österreichischer Höhlenforscher (VÖH) berichtete.

Der Eingang zur Höhle befindet sich nordöstlich des Bleikogel auf einer Seehöhe von 2.120 Metern. Der Einstiegsteil verläuft schachtartig rund 300 Meter in die Tiefe, erläuterte der Salzburger Höhlenforscher Walter Klappacher. Forscher aus Polen würden sich seit mehreren Jahren mir der Höhle beschäftigen.

Klappacher selbst kennt lediglich den Eingangsbereich aus eigener Erfahrung. Mit seinen 72 Jahren wage er sich nicht weiter in die Tiefe der vor circa fünf bis sieben Jahren entdeckten Jack Daniel's-Höhle, sagte er. Nach dem "canyonartigen Einstieg" verlaufe die Höhle allerdings nicht nur vertikal sondern auch horizontal. Es handle sich jedenfalls um ein großes System mit "beeindruckenden tropfsteinartigen Gebilden".

Von der nächsten Hütte ist die Höhle laut Klappacher in etwa zwei Stunden zu erreichen. Am Freitag sei auf dieser Höhe allerdings Schneefall möglich. Die Höhle gilt aufgrund ihrer senkrechten Schächte als "Wasserschlinger". Im Moment dürfte es lediglich etwas feucht im Inneren sein, erklärte der Forscher. Je nach den letzten Regenmengen könne aber auch mehr Wasser durchfließen.

Nach dem schachartigen Einstieg mit waagrechten Zwischenstufen gabelt sich die Höhle in etwa 200 Metern Tiefe, heißt es in der Fachzeitschrift "DIE HÖHLE - Zeitschrift für Karst und Höhlenkunde" (60. Jg./Heft 1-4/2009) zu früheren Expeditionen in das verzweigte System. Der Ostteil setzt sich demnach als trockener Canyon bis in 615 Meter Tiefe fort und endet in einer unpassierbaren Spalte.

Der Südteil führt laut der Publikation in einem breiten Gang zunächst auf eine Verzweigung in 240 Meter Tiefe zu mehreren weiter nach unten führenden Schächten. In 260 bis 380 Metern Tiefe befinden sich dort sogenannte Karkonoskie Teile. "Die Gänge werden von zauberhaften Tropfsteinbildungen geschmückt" und der abschließende "Weiße Saal mit seinen reinweißen Sinterformen und Kristallseen" erinnere an die berühmten Diamantenreiche 1 und 2 in der Eisriesenwelt in Werfen (Pongau), schrieben polnische Forscher in dem Fachblatt.

Zur Entstehung des Namens der Jack Daniel's Höhle wusste Klappacher nichts Genaueres. Es sei aber durchaus möglich, dass die Forscher in der Anfangszeit der Entdeckung eine Flasche mit hochprozentigem Alkohol beim Eingang getrunken hätten und die Bezeichnung daher komme, berichtete der 72-Jährige von ähnlichen Namensgebungen.

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