Telefonzellen: Feuerzeugfunken ließen die Elektronik verrückt spielen

Telefonzelle um 1955 im Wiener Technischen Museum
Auch Tricks, mit denen sich findige Leute mit Gratistelefonie versorgten, machten Umrüstungen notwendig.

Als am 17. August 1903 am Wiener Südbahnhof der erste Münzfernsprecher Österreichs in Betrieb ging, galten die neuartigen Geräte noch als Verschandelung des Stadtbilds. Auf Gehsteigen fand man die ersten daher erst ab 1910. Diese „Kioske“ waren aus Holz gebaut, bis 1961 konnte man nur lokal telefonieren. Gefüttert wurden die ersten Automaten mit 20 Hellern.

Nicht nur Währungswechsel machten im Lauf der Jahre Umrüstungen notwendig, sondern auch Kniffe, mit denen sich findige Leute – als Alternative zum oft lästigen Vierteltelefon zu Hause – mit Gratistelefonie versorgten. Bis in die 1970er-Jahre zeigte eine Zählnadel das Gesprächsguthaben an. Zeitzeugen berichten, dass mit einem an der richtigen Stelle geknickten Papierstreifen, der ins Gehäuse eingeführt wurde, der Zeiger blockiert und somit potenziell endlos telefoniert werden konnte. Diese Mechanik wurde nach und nach durch LCD-Anzeigen ersetzt, was aber nur zu neuen Überlistungsmethoden führte.

„Coitus interruptus“

Rockmusiker Boris Bukowski („Kokain“) schildert in seinem biografischen Buch „Unter bunten Hunden“ folgenden Studententrick: „Ein Loch durch einen Schilling gebohrt, Zwirn dran, so oft wie benötigt in den Einwurfschlitz werfen, und – ein gewollter Coitus interruptus! – wieder rausziehen.“ Otmar Moritsch, Leiter der Medienwelten im Technischen Museum, erklärt die Methode: „Man musste die Münze vorsichtig hineingleiten lassen, bis der Münzprüfer anschlug.“

Anfang der 1980er-Jahre wurden elektronische Münzprüfer eingeführt, überlistungssicher waren auch diese nicht. Experte Moritsch berichtet, dass durch Hochspannungsfunken aus Piezo-Zündern, wie man sie von Feuerzeugen kennt, die Zählelektronik gestört werden konnte. „Ein paar Mal in den Einwurfschlitz geblitzt – die Elektronik spielte verrückt und das Display zeigte 99 Schilling Guthaben“, vermerkt dazu Boris Bukowski.

Auch für die später eingeführten Wertkarten gab es einen Trick: Der entwertete Streifen konnte mit Tipp-Ex überklebt werden.

Peter Temel

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