„Ich bin in letzter Sekunde aus dem Haus gekommen“

„Ich bin in letzter Sekunde aus dem Haus gekommen“
Taxenbach im Pinzgau wurde vom Hochwasser besonders hart getroffen. Viele wissen nicht, wie sie weiterleben sollen

Der Volksmusikabend am Freitag ist abgesagt. Zum Feiern ist in Taxenbach niemand zumute. Der 2700-Einwohner-Ort im Salzburger Pinzgau wurde vom Hochwasser besonders schwer erwischt; aus den Ufern getretene Bäche überfluteten zahlreiche Häuser, außerdem sind nach zwei Murenabgängen noch immer zwei Bewohner vermisst – eine 23-Jährige und ein 48-jähriger Landwirt.

Taxenbach ist im Ausnahmezustand. Der Bahnhof steht im Schlamm, der Zugverkehr ist eingestellt und die Bundesstraße nach Taxenbach nur stundenweise offen. Über dem Ort kreisen Hubschrauber, ein „Black Hawk“ fliegt Baumstämme aus dem Tal. Und überall Soldaten und Feuerwehrleute.

Unweit vom Zentrum des Ortes, mit Blick auf die Kirche, hat Reinhard Reiter seit 20 Jahren sein Häuschen im Schmiedgraben stehen. Daran vorbei fließt ein kleines Bächlein, ein Rinnsal – doch am vergangenen Sonntag Vormittag verwandelte sich dieser zu einem wilden Fluss. „Der ist zwei Meter hoch geworden und hat alles mitgerissen“, erzählt der 47-Jährige. Das Doppel-Carport ward seitdem nicht mehr gesehen; Garage, Werkstatt, Abstellraum, Waschküche wurden verwüstet.

„Ich bin in letzter Sekunde aus dem Haus gekommen“
Bis zum Fenstersims stand der Schlamm. „Dabei hatten wir voriges Jahr alles neu gemacht“, sagt Reiter. Er zündet sich wieder eine Zigarette an. „Ich bin nervlich sehr angespannt, kann nachts kaum schlafen“, erzählt er. Weil er Angst hat, dass das Wasser nach einem Gewitter zurückkommt, ist er samt Familie zu Verwandten gezogen.

Spur der Verwüstung

Hundert Meter hangaufwärts hat das Jägerbataillon aus Tamsweg zwei Tage lang gebraucht, um den Schlamm aus der Spenglerei zu schaffen. Das sich meterhoch türmende Wasser des Schmiedgrabenbaches hatte selbst die Außenmauern des Betriebes eingedrückt und die Fensterscheiben aus Panzerglas eingeschlagen. „Es ist alles hin“, sagt HauseigentümerJosef Ampferer, „die Einrichtung, die Maschinen, die Ware.“

Er schätzt den Schaden auf mindestens 200.000 Euro. Geld, das er von der Versicherung wohl nie sehen wird, wie er vermutet. „Ich weiß nicht, ob und wie es weitergeht.“

„Ich bin in letzter Sekunde aus dem Haus gekommen“
Ein paar Kilometer entfernt, im Ortsteil Högmoos, steht Sebastian Brunner kopfschüttelnd vor dem Haus, das er vor einem Monat seinem Sohn Günther übergab – und das nun bis zum ersten Stock überschwemmt wurde. „Seit mindestens hundert Jahren ist hier nie etwas passiert“, sagt er. Er war gerade im Badezimmer, als es losging. „Ich bin in letzter Sekunde noch aus dem Haus gekommen.“
Wieder kreist ein Hubschrauber des Bundesheeres über Taxenbach, doch nicht aus diesem Grund schauen die Menschen besorgt nach oben. Es beginnt zu regnen.

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