Tauziehen um Korruptionsaffäre

Tschechen verlieren Interesse an der Aufklärung einer angeblichen Erpressung gegen Steyr-Panzerwerk.

Der österreichischen Justiz droht in der Affäre um angebliche Schmiergeldzahlungen beim Steyr-Panzergeschäft mit der tschechischen Armee ein ähnliches Schicksal wie im Fall Aliyev: Jahrelange, aufwendige Erhebungen für einen anderen Staat, deren Ergebnis man letztendlich in den Papierkorb werfen kann. Denn nach acht Jahren intensiver Ermittlungstätigkeit durch die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) kaufen die Tschechen plötzlich wieder österreichische Panzer. Und die Prager Justiz lässt durchblicken, dass man an der Angelegenheit gar nicht mehr so interessiert sei.

Es begann im Jahr 2006 mit einem Auftrag der tschechischen Armee an die Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeuge (SSF) mit Sitz in Wien-Simmering zur Lieferung von 234 "Pandur II"-Radpanzern im Wert von umgerechnet 821 Millionen Euro. Dagegen lobbyierte der unterlegene finnische Konkurrent Patria erfolgreich. Im Dezember 2006 wurde der Vertrag von der Regierung des damals neuen Ministerpräsidenten Mirek Topolanek wegen angeblicher Qualitätsmängel annulliert.

Schmiergeld

Dann begann das Ringen um einen Nachfolgevertrag, bei dem auch der Konkurrent Patria wieder ins Geschäft kommen wollte. Im März 2009 wurde schließlich ein Vertrag über 107 Panzer um 533 Millionen Euro unterzeichnet. Kurz darauf war aber die tschechische Justiz aktiv geworden. Es soll von der SSF die Zahlung von 18 Millionen Euro Schmiergeld gefordert worden sein. Hauptdarsteller sind Marek Dalik, ein enger Vertrauter des tschechischen Premiers Mirek Topolanek, und der slowakische Waffenhändler Miroslav Vyboh, ein enger Vertrauter des slowakischen Premiers Robert Fico. Der Verdacht: Am 8. November 2007 soll bei einer Unterredung in Prag der Topolanek-Vertraute Dalik vom österreichischen SSF-Manager Stephan S. die Zahlung von 18 Millionen Euro gefordert haben. Der bestreitet das heftigst und bringt den slowakischen Fico-Vertrauten Vyboh ins Spiel: Der habe nämlich das Treffen arrangiert.

Vyboh ist eine der schillerndsten Figuren der Slowakei, dem sogar US-Botschaftsdepeschen gewidmet sind, die durch Wikileaks zugänglich geworden sind. Demnach besitzt er eine Rüstungsfirma, die unter anderem Panzer- und Flugabwehrwaffen, Komponenten für gepanzerte Fahrzeuge und Munition im Angebot hat. Außerdem soll er für die Wartung der slowakischen MIG-29 Kampfflugzeuge zuständig gewesen sein.

Ein Naheverhältnis bestreitet der slowakische Premier Fico auch gar nicht. Gegenüber der Tageszeitung Hospodarske noviny erklärte er: "Ich werde nicht behaupten, dass Herr Vyboh nicht mein Freund ist. Ich kenne ihn seit 20 Jahren"

Die Ermittlungen der tschechischen Polizei begannen im Juli 2010. Die tschechische Justiz wollte ursprünglich mit viel Elan an die Sache herangehen. Daher schlossen im September 2010 die tschechische oberste Staatsanwältin Renata Vesecka und ihr österreichischer Amtskollege, der Leiter der WKStA, Walter Geyer, in Wien eine Vereinbarung über die Bildung eines gemeinsamen Ermittler-Teams. Amtshilfeersuchen gingen auch in die Slowakei und sogar nach Israel, weil auch dort eine Firma betroffen war.

Betrugsversuch

Es gibt keinen Hinweis, dass tatsächlich Schmiergeld geflossen ist. Dalik ist in Tschechien daher angeklagt wegen "Betrugs im Stadium des Versuches". Der nunmehrige Ex-Premier Topolanek stellte sich als Entlastungszeuge zur Verfügung. Gegen Vyboh, der natürlich auch alle Vorwürfe bestreitet, wird in Wien weiter ermittelt. Doch bei der WKStA entsteht zunehmend der Eindruck, dass die tschechischen Partner das Interesse verlieren. Erst vor wenigen Wochen bestellte die tschechische Regierung eine weitere Tranche von 20 Pandur-Panzern.

Staatsanwältin Vesecka wurde abberufen und ist zur staatlichen Energieregulierungsbehörde ERU abgewandert. Aus dem Justizministerium in Prag gebe es, so ein WKStA-Insider, klare Signale, dass man die ganze Angelegenheit einstellen wolle. Und wenn die Tschechen einstellen, wird es für die Wiener Staatsanwälte schwierig, den Fall zu Ende zu führen.

Wegen der üblichen Geheimhaltungsvorschriften sind besonders Waffengeschäfte korruptionsanfällig. Nur im Fall des Steyr-Panzergeschäftes mit der tschechischen Armee gehen Insider davon aus, dass kein Schmiergeld geflossen ist.
Ein Grund sind die Eigentumsverhältnisse. Die Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeug GmbH in Wien Simmering wurde im Jahr 2003 an den US-amerikanischen Rüstungskonzern General Dynamics verkauft. Die USA haben rigide Compliance-Vorschriften, die offenbar auch eingehalten werden. Die US-Behörden verfolgen jeden Korruptionsverdacht gnadenlos. Es ist jedenfalls in jüngerer Zeit kein Korruptionsfall eines US-Rüstungsunternehmens dokumentiert.
Die Europäer sind da schon oberflächlicher. Mit welchen Mitteln am europäischen Markt gekämpft wird, zeigt die Affäre um den Steyr-Konkurrenten Patria aus Finnland. Im Jahr 2007 gelang es den Finnen, dem Steyr-Werk einen Auftrag der kroatischen Armee um 112 Millionen Euro abzujagen. Jetzt gibt es erste Gerichtsurteile in Finnland gegen zwei Patria-Manager, weil sie Schmiergeld bezahlt haben sollen.

Das wirkte sich auch auf eine Panzerbeschaffung Mazedoniens aus. Die mazedonische Regierung hatte bereits Anfang 2006 angekündigt, 130 gepanzerte Truppentransporter zu beschaffen. Um sich das aufwendige Auswahlverfahren zu ersparen, wollte sich die Regierung in Skopje an der Entscheidung der Experten in der kroatischen Hauptstadt Zagreb orientieren – und die fiel aus den bekannten Gründen gegen Steyr-SSF aus.

Slowenien-Affäre

Im selben Jahr wurde von den Finnen auch ein Panzergeschäft mit Slowenien abgeschlossen. Der slowenische Ex-Premier Janez Jansa wurde im Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen bei dem 278 Millionen Euro teuren Deal, der während seiner ersten Amtszeit als Regierungschef geschlossen wurde, zu zwei Jahren Haft verurteilt. Auch in Tschechien hatten sich Patria-Agenten verdächtig gemacht. Sechs Monate lang haben dort Reporter den Verteidigungsminister Jaroslav Kopriva beobachtet und seine Treffen mit einem Lobbyisten und einem Vertreter von Patria mit versteckter Kamera dokumentiert.

Jetzt geht es in Litauen in die nächste Runde. Litauen hatte im Sommer 2014 beschlossen, seine rund 300 veralteten Infanteriepanzer vom US-Typ M113 durch modernes Gerät zu ersetzen. Nachdem die Deutschen ein Angebot für den Radpanzer „Boxer“ zurückgezogen haben, bleiben in Europa zwei mögliche Anbieter über: Steyr SSF und Patria.

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