Tatort Trafik: Schwerer Raub, leichte Beute
Einer der Täter griff in seine Tasche, zog eine Pistole und sagte nur drei Wörter: „Geld, Geld, Geld.“ Am 8. April wurde Michael Bauer in seiner Trafik in der Schlachthausgasse im 3. Bezirk von zwei Männern überfallen. Doch Geld, das wollte Bauer dem Eindringling nicht geben.
„Ich habe versucht, ihn rauszuschmeißen. Daraufhin hat er mir mit der Waffe auf den Kopf geschlagen.“ Von diesem Zeitpunkt an fehlt Herrn Bauer jede Erinnerung. Als er bewusstlos auf dem Boden lag, raubten die Männer das Bargeld aus der Kasse und ergriffen die Flucht. Eine Kundschaft fand den verletzten Trafikanten auf dem Boden und rief die Polizei. Heute sagt Bauer: Er sei „ein wenig unvorsichtig“ gewesen.
Herr Bauer ist kein Einzelfall. Erst vor einer Woche wurde die Angestellte einer Trafik in Hernals ausgeraubt – mutmaßlich von drei jugendlichen E-Scooter-Fahrern. Und Anfang März wurde die Angestellte einer Trafik in Favoriten von mehreren Jugendlichen mit zwei Messern und einer Pistole bedroht und ausgeraubt.
Dass Räuber ausgerechnet Trafiken im Visier haben, ist ein bekanntes Phänomen. Und hat vor allem zwei Gründe. Erstens: „Jeder glaubt, dass es in Trafiken das große Geld zu holen gibt“, sagt Andreas Schiefer, Landesgremialobmann der Trafikanten in der Wiener Wirtschaftskammer. Aber dem ist nicht so.
Denn auch in Trafiken wird immer häufiger mit Bankomat- oder Kreditkarte gezahlt. Zweitens: Trafikanten sind – salopp gesagt – leichte Beute. „Oft ist der Trafikant alleine im Geschäft“, sagt Schiefer. „Solche Dinge werden im Vorhinein ausgekundschaftet.“ Dazu kommt, dass es – etwa im Vergleich zu einer Bank – in einer Trafik deutlich weniger Sicherheitsmechanismen gibt. Und oft ist dort auch weniger los; die Chance, erwischt zu werden, ist also geringer.
Voriges Jahr gab es österreichweit 31 Raubüberfälle auf Trafiken. Auf diesem Niveau liegen die Zahlen bis ins Jahr 2016 (siehe Grafik) zurück. Der letzte große Ausreißer war das Jahr 2012: 80 Überfälle auf Trafiken gab es da. Zu erklären ist der starke Rückgang danach laut Bundeskriminalamt damit, dass seitdem vermehrt bargeldlos gezahlt wird. Weniger Geld in der Kasse heißt auch: weniger Überfalle.
Wachhund und Warnung
Um Trafikanten vor Überfällen zu schützen, gibt es in den meisten Trafiken einen Knopf, mit dem ein Warnsignal samt Warnblinkanlage vor dem Geschäft ausgelöst wird. Die Sirene ist laut und praktisch nicht zu überhören, die Polizei wird automatisch verständigt. Im Falle von Herrn Bauer hat der Knopf aber nichts gebracht: Er war zu perplex und habe gar nicht daran gedacht, den Knopf zu drücken, erzählt er.
Vorteilhaft wären auch „gut ausgeleuchtete und einsichtige Geschäfte“, sagt Kammervertreter Schiefer. Doch viele Trafiken seien mit Werbung zugeklebt.
Und während einige Trafikanten Baseballschläger in Reichweite platziert haben, legen sich andere einen Wachhund zu. „So ein Schäferhund kann die Täter schon abschrecken“, sagt Schiefer, rät aber dazu, zur Verteidigung nicht zu einer Waffe zu greifen. „Ich warne ausdrücklich vor einer Gegenwehr. Da bist du immer Zweiter.“
Beschaffungskriminalität
Bei den Tatmotiven steht laut Polizei Beschaffungskriminalität an oberster Stelle, sprich die Beute dient zur Drogenfinanzierung. Auch Spielschulden spielen oft eine Rolle. Den „typischen Trafikräuber“ gebe es jedenfalls nicht, sagt eine Sprecherin des Bundeskriminalamts. Serienüberfälle kommen zwar vor, werden aber in der Regel rasch geklärt.
Der Überfall auf die Trafik von Michael Bauer in der Schlachthausgasse ist zumindest teilweise geklärt. Die Polizei fasste einen der beiden Täter, einen 17-jährigen Österreicher.
Trafikant Michael Bauer hat sich von dem Überfall mittlerweile einigermaßen erholt, vergessen wird er die Tat aber wohl nie, wie er sagt. Seine Trafik wird er weiterhin betreiben, in der Hoffnung bis zur Pension in einigen Jahren nicht noch einmal ausgeraubt zu werden.
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