Tag der Unpünktlichkeit: Wo es im Bahnverkehr hapert

Ausgerechnet im Pendelverkehr standen am Donnerstag in Ostösterreich die Züge still
Den 13. April wollten die ÖBB als Tag der Pünktlichkeit feiern. Mit einem Livestream und viel Transparenz wollte man bei den Fahrgästen punkten. Eine Railjet-Fahrt konnte live mitverfolgt werden.
Tatsächlich standen mehr als 200 Züge teilweise auf offener Strecke still. Betroffen war die gesamte Ostregion, Tausende Menschen steckten fest. Von der angekündigten Transparenz blieb wenig übrig. In den sozialen Medien entlud sich viel Wut und Ärger.
Wut und Ärger, die entladen sich immer, wenn etwas im Schienenverkehr nicht funktioniert. Neben Verspätungen einer der großen Aufreger: Überfüllte Züge. Erst kürzlich kam es dadurch, wie berichtet, in einem Railjet auf dem Weg von West- nach Ostösterreich zu chaotischen Szenen.
Drohung mit Räumung
„Wir flehen Sie an. Steigen Sie aus. Sonst muss Zug geräumt werden“, wurde laut einem der Passagiere bei einem Halt in Innsbruck durchgesagt. Letztlich ging es dann ohne Räumung – aber mit deutlicher Verspätung – weiter.
„Solche Vorfälle bekommen in der Debatte immer sehr viel Aufmerksamkeit. Aber der Großteil der Züge ist nicht überfüllt“, sagt Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ).

Nicht immer verläuft die Zugreise so entspannt
Wenn es sich in den Waggons staut, dann meist rund um Wochenenden und Feiertagen und auf Strecken, die von vielen Menschen im Fern- und im Pendelverkehr genützt werden. Die Westbahnstrecke zwischen Vorarlberg und Wien ist eine davon.
„Es geht in dieser Frage um kein Kapazitätsproblem, sondern um ein Lenkungsthema“, sagt ÖBB-Sprecher Christoph Gasser-Mair zu dem leidigen Dauerthema. Über den Tag verteilt habe man genug Platz. „Über unsere dringende Empfehlung, Sitzplätze zu reservieren, konnte bereits ein deutlicher Lenkungserfolg erzielt werden“, versichert er.
Info über Auslastung
Um diesen Lenkungserfolg zu verbessern, sieht Gratzer aber noch einen weiteren Hebel: „Es sollte noch stärker kommuniziert werden, wie hoch die Auslastung von Verbindungen ist.“ Angesichts immer flexibler werdender Arbeitszeiten sieht der VCÖ-Sprecher darin gerade im Pendlerverkehr Potenzial.
Bei allen Ärgernissen, die es gibt, steht für Gratzer aber fest: „Fahrgäste, die regelmäßig mit der Bahn unterwegs sind, sind im Großen und Ganzen mit dem Angebot zufrieden.“ Das spiegelt auch eine Fahrgastbefragung des VCÖ aus dem Jahr 2022 wieder, die für viele wohl erstaunlich positiv ausfällt.

Die ÖBB haben 2021 rund 188 Millionen Zuggäste befördert. „Wir erleben aktuell einen regelrechten Bahnboom“, sagt Gasser-Mair. Günstige Ticket-Angebote seien einer der Gründe dafür.
230.000 Menschen sind etwa inzwischen im Besitz des im Herbst 2021 eingeführten Klimaticket Österreich, mit dem bundesweit alle Öffis benützt werden können, heißt auf Anfrage vom Verkehrsministerium von Leonore Gewessler (Grüne). Gerechnet hatte man mit 100.000 bis 140.000 Kunden.
Bahnfahrer stellen sich aber mitunter die Frage, ob die Schiene mit dem Andrang Schritt halten kann, ob etwa ausreichend Zugmaterial rollt. „Aktuell läuft das größte Investitionsprogramm der ÖBB-Geschichte, im Rahmen dessen wir insgesamt über vier Milliarden Euro in neue Züge und Waggons investieren und so die Sitzplatzkapazitäten in den nächsten Jahren um 30 Prozent steigern werden“, sagt der ÖBB-Sprecher.
Erst kürzlich seien 186 neue Doppelstockzüge bestellt worden, 33 neue Nightjets sind in Produktion, 13 davon werden ab Sommer dieses Jahres im Einsatz sein. Ebenso sind acht neue Railjets in Fertigung und weitere in Beschaffung. Derzeit sind pro Tag 4.508 Züge im Nahverkehr und 323 Züge im Fernverkehr unterwegs.
Alles gleichzeitig
Parallel wird massiv in die Infrastruktur investiert. „Das geht von großen Tunnelbauten am Semmering oder am Brenner über den zweigleisigen Ausbau von wichtigen Strecken bis zu einer Elektrifizierungsoffensive“, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Die große Herausforderung sei: „Es muss alles gemeinsam wachsen.“
Engpässe gibt es teilweise auch auf bestehenden Strecken, wenn ein zweites Gleis fehlt und Züge somit nicht gleichzeitig in beiden Richtungen unterwegs sein können. Solche Nadelöhre begrenzen die Möglichkeit, die Taktung zu erhöhen.
Die Instandhaltung bestehender Strecken kann das Nervenkostüm der Zugreisenden ebenfalls gehörig strapazieren. Ab heute wird etwa, wie berichtet, die Arlbergstrecke für fünf Tage gesperrt. Aktuell ist auch der Tauerntunnel zwischen Böckstein und Mallnitz – eine der wichtigsten Zugverbindungen zwischen Kärnten und Salzburg – für fünf Wochen gesperrt. Ab November 2024 wird die Strecke gar für acht Monate gesperrt.
Trotz echter und symbolischer Bahn-Baustellen, sagt Gratzer: „Österreich steht im EU-Vergleich sehr gut da.“ Die Messlatte sei die Schweiz. Gemeinsam mit dem Zusatzangebot der privaten Westbahn sei dieses Niveau etwa auf der gleichnamigen Strecke „schon durchaus erreicht.“
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